Donnerstag, 24. Dezember 2015

Süßer die Glocken nie klingen

Es ist Weihnachten, das Fest der Liebe, und ich finde, da ist es an der Zeit, hier mal ein paar Dinge klarzustellen.

Erstens:
Niemand von Euch hat mich gebeten, hier irgendeine Zeile zu schreiben, und ich habe niemanden hier gebeten, eine Zeile davon zu lesen! Ich kann jeden Tag aufhören, irgendwas hier zu fabrizieren und Ihr könnt jeden Tag damit aufhören, hier reinzugucken. Eine bessere Basis für eine Beziehung kann es überhaupt nicht geben! Also ersparen wir uns einfach dieses ganze elende, verfickte, scheinheilige Danke für Euer Interesse - Danke für die Texte -Scheiße!

Zweitens:
Weihnachten ist Scheiße, und zwar so richtig, da braucht man gar nicht erst rumzusülzen! Was soll denn das Beste an Weihnachten sein? Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen? Wer wirklich Wert darauf legt, Zeit mit jemandem zu verbringen, der wird das ganze Jahr Gelegenheit dazu finden (Ganz sicher, ich hatte schon mal eine Fernbeziehung!). Ist ein Anlass wie Weihnachten dazu nötig, jemanden zu sehen, dann ist doch ganz klar, daß man im Grunde wirklich Besseres zu tun hat!

Drittens:
Hat Jesus vielleicht gesagt, daß wir zu seinem Geburtstag einen Tannenbaum abhacken, in die Bude schleppen und mit bunten Kugeln behängen sollen? Weihnachten ist das Überstülpen christlicher Ideen über einen Heidenkult, und den christlichen Ideen wird jetzt der Götzenkult des Konsums übergestülpt. Da brauchen sich die Pfaffen nicht beklagen und die Kirchensteuerchristen nicht rausreden. Vom Bescheuerten über Bescheuertes zum Bescheuertem, was soll's? Nein! Ich hab überhaupt nichts gegen bescheuerte Bräuche, gar nichts! Aber können die nicht wenigstens Spass machen? Könnte man die dunkelste Jahreszeit nicht feiern, indem man sich drei Tage lang volltrunken und nackt mit seinen Freunden und Bekannten in der Wohnung einschließt? Das könnte wenigstens unterhaltsam werden! Stattdessen latscht man erst durch überfüllte Fußgängerzonen und sitzt dann vor ein paar verkackten Kerzen, lauscht schleimiger Drecksmusik und das Spannendste sind die Gebrauchsanleitungen für den neuen Fotoapparat! Boah, nee!

So. Musste ja auch mal gesagt sein. Also dann, frohes Fest!

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Jahresrückblick (3): Totaler Krieg des Jahres

Ob irgendwo auf geheimen Bilderberger-Konferenzen Hölzchen gezogen werden, wer im nächsten Jahr intellektuelles Harakiri begehen und einen Text veröffentlichen muß, der so grotesk und wahnsinnig ist, daß niemand den Verfasser je wieder wird ernst nehmen können? Falls ja, dann hat 2015 das frühere litauische Staatsoberhaupt und ehemalige Parlamentspräsident Vytautas Landsbergis den Kürzeren gezogen und darauf hin einen Gastbeitrag für die Zeit geschrieben mit dem klangvollen Titel


Nun sind antirussische Propagandaartikel bei der Zeit ja keine Seltenheit (alleine Andreas Umland, Mitarbeiter des "Instituts für  Euroatlantische Kooperation" in Kiew, durfte bisher 12 Gastbeiträge für die Zeit schreiben, um eine knallharte anti-russische Position im Konflikt in der Ukraine zu verbreiten!), der Beitrag von Herrn Landsbergis ist aber so durchgeknallt, daß es selbst seine Veröffentlichung in der Zeit erstaunlich ist. Denn hat man als Chefredakteur nicht auch eine gewisse Verantwortung gegenüber seinen Autoren? Herr Landsbergis ist schon über 80, sollte man da nicht die Veröffentlichung eines Gastbeitrags im Interesse des Autors ablehnen, wenn eine einsetzende geistige Umnachtung nicht zu übersehen ist? Die Zeit hat den Text jedenfalls trotzdem veröffentlicht. Und natürlich bietet er all die Verdrehungen und Halbwahrheiten, die andere Propagandatext auch auszeichnen. Z.B. sowas wie
"Denn obwohl in der Ukraine mehr als 5.000 Menschen getötet worden sind, spricht man immer noch nicht von einem Krieg in Europa."
Ein ziemlich drolliger Vorwurf, wenn selbst die Regierung in Kiew sich bis heute weigert, von einem Krieg in ihrem Land zu sprechen, sondern lieber von einer "Anti-Terror-Operation" faselt.
Oder auch
"Es war Russland, das sich geweigert hat, ein guter Nachbar zu sein. Russland hat die Teilnahme am EU-Nachbarschaftsprogramm abgelehnt."
Was an sich schon stimmt. Nur hatte Russland es lediglich abgelehnt, sich gemeinsam mit Ländern wie Moldawien und Algerien in ein gemeinsames Programm für EU-Juniorpartner einzureihen und stattdessen auf eigene Verhandlungen zu einer Partnerschaft bestanden. Und es hat diese auch bekommen.

Aber wir wollen jetzt nicht jeden Satz durchgehen, Landsbergis' Beitrag hat viel mehr zu bieten als solche Standardphrasen. Nämlich klare Lösungsvorschläge. So soll seiner Meinung nach Russland vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten werden. Und aus den Vereinten Nationen ausgeschlossen. Daß ersteres ökonomischer und politischer Wahnsinn wäre und das Zweite nur möglich wäre, falls Russland als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats seinem eigenen Ausschluss zustimmt - geschenkt! Und das sind auch nur die soften Maßnahmen! Denn eigentlich brauchen wir Krieg, so ganz klassisch mit totschießen und so, nicht nur so eine Weicheierscheiße von Handelskrieg. Und erst wenn dieser Krieg gewonnen ist, dann kommen alle anderen Reformen in der Ukraine. Denn:
"Alle anderen sogenannten Prioritäten sind Heuchelei."
Klar, selbst einem Landsbergis ist es bewusst, daß mehr Aufrüstung auf der einen Seite zu mehr Aufrüstung auf der anderen Seite führt, was zu noch mehr Aufrüstung auf der einen Seite führt und in letzter Konsequenz in einen Krieg zwischen zwei Mächten mündet, die zusammen auf 9000 einsatzfähigen Atomsprengköpfen sitzen. Aber so ein Atomkrieg ist ja laut Herrn Landsbergis auch überbewertet. Denn:
"Was die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes von Nuklearwaffen betrifft: Sie werden bereits jetzt eingesetzt, denn allein die Drohung damit ist ebenso verbrecherisch wie der tatsächliche Einsatz."
Vielleicht verliert der Gedanke an den Weltuntergang ja jenseits des 80sten Geburtstags seinen Schrecken. Ich selber aber sehe doch einen wirklich großen Unterschied zwischen der Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen und dem tatsächlichen Einsatz von Atomwaffen. Und ich würde diese Unterscheidung auch nur sehr ungern verwischt sehen.

Und damit nähern wir uns auch schon dem Höhepunkt unserer kleinen Tour durch den Wahnsinn der Kriegstreiberei. Denn neben der Zerstörung der russischen Wirtschaft, dem Zerlegen der Vereinten Nationen und einem kurzen Ausflug in die faszinierende Welt des Atomkriegs sollten wir auch die russischen Opposition ein bisschen motivieren. Man will ja letztlich nur der Freiheit und Demokratie dienen. Und das ginge zum Beispiel durch Visa-Erleichternungen für russische Dissidenten:
"Außerdem könnte man die Visa-Vergabe erleichtern, allerdings unter der Bedingung, dass keine Russen in abzeichenlosen, grünen Uniformen kommen und Regierungsgebäude besetzen."
Denn - hach, jetzt kommt meine absolute Lieblingsstelle aller Propaganda 2015! -
"Zu gegebener Zeit könnten Männer in Grün überall auftauchen: in Paris, London, Berlin, vor allem dann, wenn gleichzeitig radikale Studentenunruhen oder islamistische Terroranschläge stattfinden."
Russische Soldaten reisen inkognito mit Touristenvisa nach Berlin, warten da auf radikale Studentenunruhen um dann den Reichstag zu besetzen! Gott, was wäre das doch ein grandioser Plot für einen neuen RTL-Fernsehfilm! Vielleicht mit Oliver Kalkofe als radikaler Student, Serdar Somuncu als russischer Invasor und Daniela Katzenberger als zwei Reichstagskuppeln… Ich kann's fast vor mir sehen!

Jetzt wird man das Machwerk des Herrn Landsbergis schnell als den Unsinn beerdigen, der es ist, und zurück bleibt nur eine leichte innere Unruhe, daß so etwas diese Tage überhaupt veröffentlicht werden konnte. Ein Verdienst bleibt Herrn Landsbergis aber doch. Selten hat jemand so gelungen in einem einzigen Satz zusammen gefasst wie im zuletzt Zitierten, was einem alten weißen Mann heute Angst macht: Der Russe, der Moslem und die Jugend. Fehlen eigentlich nur noch Frauen in Hosen, um den Horrorreigen komplett zu machen. Und so erinnerte uns Herr Landsbergis 2015 daran, daß die Vergangenheit nie so tot ist, wie sie sein sollte. Das ist mehr als nichts...

Dienstag, 22. Dezember 2015

Jahresrückblick (2): Erkenntnis des Jahres

Vor etwa zwei Jahren, um den Wechsel 2013/14 herum, da hatte die Freie Welt, also die, die an Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft interessiert ist, ein Problem. Viktor Janukowitsch wollte das Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU nicht unterzeichnen, also musste der Mann weg. Nur war er dummerweise 2010 in von Wahlbeobachtern der OSZE als "vorbildlich demokratisch" bezeichneten, freien Wahlen zum Präsidenten gewählt worden. Und so hatten alle Janukowitsch als demokratisch legitimierten Präsidenten der Ukraine anerkannt. Da gratuliert der US-Präsident Obama Janukowitsch 2010 zu seinem Amt als Ausdruck des Willens des ukrainischen Volkes:
"This peaceful expression of the political will of Ukrainian voters is another positive step in strengthening democracy in Ukraine."
Und 2013 steht der amerikanische Außenpolitiker John McCain auf dem Maidan zwischen Demonstranten, die Janukowitsch aus dem Amt treiben wollen, und erklärt sich mit deren "gerechtem Anliegen" solidarisch*:
"We are here to support your just cause, the sovereign right of Ukraine to determine its own destiny freely and independently. And the destiny you seek lies in Europe."
Und 2010, da erklärte auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt Werner Hoher in einem ukrainischen Interview:
"Die Menschen in der Ukraine haben sich bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen in fairen, freien und demokratischen Wahlen für einen neuen Präsidenten entschieden – das begrüßen wir! […]
Wir freuen uns natürlich auf die Zusammenarbeit mit Präsident Viktor Janukowitsch und darauf, unsere bilaterale Zusammenarbeit auch in Zukunft für alle Seiten gewinnbringend weiterzuführen."
Und 2013, da geht sein Chef, Außenminister Westerwelle, bevor er seinen ukrainischen Amtskollegen treffen will, erst noch schnell zu den regierungsfeindlichen Demonstranten auf den Maidan, um ihnen seine Unterstützung zuzusichern.

Da ist also das Problem - sowas sieht einfach nicht so schön aus. Wäre man bösartig, man könnte fast unterstellen, den FreDeMa-Ländern läge nur solange was an demokratisch legitimierten Regierungen in der Welt, solange diese tun, was diese wollen. Anderenfalls werden sie einfach abgesägt. Und so ein Eindruck ist doch nicht so schön, den möchte man doch vermieden wissen.
Gut, auf die deutschen Medien ist Verlass wenn es um Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft geht, da hat niemand zu lange auf diesem Punkt herum geritten. Und besonders vorbildlich in FreDeMa-Amnesie war die Heinrich-Böll-Stiftung. 2010 hatte Joscha Schmierer (nein - ich mache nie Namenswitze!) in einem Beitrag für die Böll-Stiftung ziemlich zerknirscht eingestanden, daß Janukowitsch sein Amt in "freien und fairen Wahlen" gewonnen hat. Und 2014 schreiben andere Autoren für die Böll-Stiftung, daß es mit Janukowitschs Nachfolger Poroschenko "erstmals wirklich" einen demokratisch gewählten Präsidenten in der Ukraine geben würde. Ja, bei den Grünen kann man sein erstes Mal gleich zweimal haben! Eigentlich eine verlockende Idee, wenn ich da so an mein erstes… gut, nicht abschweifen. Auf jeden Fall wäre es trotzdem schön, eine Rechtfertigung zu haben, warum Janukowitsch plötzlich zum Abschuss freigegeben ist. Janukowitschs Konkurrentin Julia Timoschenko hat's locker aus der Hüfte vorgemacht:
"Janukowitsch hat seine Legitimität in dem Moment verloren, als er das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterschrieb."
So einfach kann es gehen, da braucht's keine langen verfassungsrechtlichen Analysen! Deutsche Medien haben das Motiv lieber noch ein bisschen variiert, z.B.:
"Seine Legitimation ist unwiederbringlich beschädigt. Gewiss, Viktor Janukowitsch wurde vom Volk gewählt. Doch seit seinem Amtsantritt hat er die Verfassung auf sich zugeschnitten und diese Machtfülle schamlos zum eigenen Vorteil ausgenutzt – dafür wurde er nicht gewählt."
oder auch:
"Viele wenden ein, Janukowitsch sei demokratisch gewählt worden und könne nicht einfach aus dem Amt gejagt werden. Doch der korrupte Präsident hat seine Macht missbraucht und gegen das Volk gerichtet."
Da wäre jetzt wohl ein Zittern angebracht in der Türkei. Oder Ungarn. Oder Polen. Und wir lernen, wenn ein Staatschef seine Macht gegen das Volk richtet, seinen Wahlauftrag missachtet oder einen Vertrag gegen den mutmaßlichen Willen des Volkes nicht unterschreibt, dann ist Schluß mit der Legitimität.

Andererseits wiederum erklärte SPON im Oktober 2015 den Deutschen, daß TTIP auch dann demokratisch legitimiert ist, wenn hunderttausende Menschen dagegen protestieren, Millionen Unterschriften dagegen gesammelt wurden und weder Bürger noch das Parlament die Verhandlungsunterlagen einsehen dürfen. Denn das Europaparlament hat den Verhandlungen ja zugestimmt. Und damit haben wir eine wichtige Erkenntnis gewonnen:

Freihandel gegen den Willen des Volkes ablehnen - demokratische Legitimität futsch
Freihandel gegen den Willen des Volkes vorantreiben - demokratische Legitimität ok

Ja, das ist ein kleines bisschen unbefriedigend… Ich hätte es auch gerne mal gesehen, wie Vitali Klitschko und John McCain auf dem besetzten Alexanderplatz stehen und, von nichts anderem beseelt als dem Wunsch, dem Willen des Volkes zum Durchbruch zu verhelfen, den Demonstranten Mut machen beim Sturz des Regimes Merkel! Vielleicht ein andermal...


* Fun Fact: McCain verbal sich auch eine Einmischung Russlands in ukrainische Angelegenheiten:
"We ... want to make it clear to Russia and Vladimir Putin that interference in the affairs of Ukraine is not acceptable to the United States."

Montag, 21. Dezember 2015

Jahresrückblick (1): Newcomer der Jahres

Ha! Wer unkt da, DWüdW würde niemals im Mainstream ankommen?! Das Jahr geht zu Ende und DWüdW bietet wieder das Mainstreamigste und Wohlfeilste, das ein Schreiber schreiben kann seitdem es Kalender gibt! Einen Jahresrückblick! In mehreren Teilen! Olle Kamelle noch mal aufgekocht, und das für nichts weiter als ein paar lausige Klicks! Da ist der Leser schon neugierig, was? Und der erste Teil des Jahresrückblicks des Jahres widmet sich der Entdeckung des Jahres schlechthin: Dem Vertrauen!

Vertrauen ist so etwas Schönes! Und Notwendiges! Man denke nur an das wohlige Gefühl der Geborgenheit eines Kindes, daß seinen Eltern vertraut und fest davon überzeugt ist, daß diese schon wissen, was zu tun ist. Das sie schon das richtige tun werden, auch wenn das Kind die Zusammenhänge nicht immer versteht und ihm die Entscheidungen der Eltern nicht immer gefallen. Und wer würde sich schon im Krankenhaus die Bauchdecke aufschneiden lassen ohne das feste Vertrauen, daß der Chirurg schon wissen wird, was er tut? Nein, ohne Vertrauen ist alles nichts. Da ist es nur natürlich, wenn im Jahr 2015 das Vertrauen endlich auch wieder in ein Feld einzieht, wo es viel zu lange vermisst wurde: in die Politik! Warum nicht einfach auch mal der Regierung vertrauen? So wie es der Sprecher des Auswärtigen Amts auf der Bundespressekonferenz vom 4. Dezember gefordert hat, als es um angebliche Ölgeschäfte der syrischen Regierung mit dem IS ging:
"Aber wir machen hier jetzt nicht so etwas wie daß ich hier jetzt Dokumente mitbringe die jetzt hier von Ihnen oder anderen eingesehen werden können. Sondern ich muß Sie einfach darauf verweisen, daß Sie uns entweder vertrauen oder aber nicht vertrauen."
Und
"Deshalb kann ich Sie, und das meine ich ganz grundsätzlich, auch für die Zukunft, nur darum bitten, wie gesagt, uns entweder zu vertrauen oder es sein zu lassen."

Und die deutschen Journalisten, sie haben verstanden, ganz grundsätzlich und für die Zukunft. Sie vertrauen, schon längst. Wie zum Beispiel Annett Meiritz, die für Spiegel Online im Oktober ein "Erklärvideo" zu den TTIP-Verhandlungen gesprochen hat und findet:
"Es ist schon ziemlich normal, daß nicht eine Marie Müller aus Berlin mal eben gucken kann, was die USA an Regulierungen voran treibt. Das ist schon ok, daß das Experten machen. Deswegen finde ich immer, daß es eigentlich ganz ok ist, daß nicht jeder Bürger daran beteiligt sein muß, im Prozess."
Es ist offenbar nur noch das Volk, dem es ein wenig an Vertrauen mangelt! Freihandel, Krieg, das alles sind doch so wahnsinnig komplexe Themen, damit muß sich die Marie Müller aus Berlin gar nicht belasten, das versteht sie nicht und am Ende ist sie nur verwirrt. Dafür hat sie doch die Regierung gewählt, die hat Experten und kann kompetent entscheiden! Und ganz ehrlich, Vertrauen in die Regierung ist doch auch gerechtfertigt. Entschließt sich jemand, nicht zu vertrauen, dann kommt doch keine finstere geheime Staatspolizei im Morgengrauen vorbei und läßt ihn spurlos verschwinden! Nein, wir sind eine Demokratie, da darf sich jeder frei entscheiden, ob er der Regierung vertrauen will oder nicht! Völlig folgenlos! Denn wenn sich jemand entschließen sollte, doch kein Vertrauen zu haben, dann ist das auch komplett wumpe. Die Regierung macht sowieso weiter wie bisher…

(Allerdings finde ich, Vertrauen sollte auf Gegenseitigkeit beruhen. Meine nächste Einkommenssteuererklärung kommt bestimmt… !)

Montag, 14. Dezember 2015

Kinder machen in Zahlen

Es kotzt einen an, man kann es nicht mehr hören! Diese Angst vor der Gebärfreude der Nicht-Arier! Je nach persönlichem Geschmack des Nazis fürchtet der sich wahlweise vor der Vermehrung des Moslems oder der des Afrikaners. Und er ruft nach abgedichteten Grenzen, auf das die Flut der Nicht-Arier den arischen Kulturbegründer nicht hinfort reiße! Schon wieder geht so ein Schwachsinn um, diesmal hat Björn Höcke von der AfD seine evolutionsbiologischen Einsichten zur Vermehrung des Afrikaners unter die Menschen gebracht und ich will den Mist nicht einmal im Original verlinken. Aber man könnte sich ja einmal etwas gründlicher mit der Frage beschäftigen: Gibt es sie überhaupt, die gefürchtete ungehemmte Vermehrung der Muslime und Afrikaner? Also mal los.

Wir brauchen erst einmal ein Maß für die Fortpflanzungsfreudigkeit der Menschen in verschiedenen Ländern der Welt. Dazu können wir etwa die "Zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffer" verwenden. Diese Zahl gibt an, wie viele Kinder eine Frau (hypothetisch) in ihrem  Leben zur Welt brächte, würde sie ihr Leben im Zeitraffer innerhalb eines Jahres durchleben, mit den für dieses Jahr gültigen altersspezifischen Fruchtbarkeitsziffern. Diese Zahl variiert erheblich zwischen verschiedenen Ländern der Erde. Um einen einheitlichen und auch bequem herunter zu ladenden Datensatz für die ganze Welt zu bekommen, machen wir es uns einfach und greifen zum CIA World Factbook, da gibt's alles was es braucht.
Außerdem wollen wir noch ein Maß für den materiellen Wohlstand in der Welt verwenden. Hier machen wir es auch ganz einfach und nehmen das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf. Ja, das ist ein ziemlich grobes und diskussionswürdiges Maß, aber für eine Übersicht wird es schon tun. Diese Werte nehmen wir auch von der CIA, kaufkraftbereinigt und angegeben im internationalen Dollar. Wenn wir die die Fortpflanzungsfreudigkeit (angegeben in der Anzahl der Kinder pro Frau) gegen den Wohlstand (angegeben im BIP pro Kopf) auftragen, dann sieht das für die Länder der Erde so aus:
Offenkundig gibt es einen ganz ausgesprochen starken Zusammenhand zwischen dem Wohlstand und der Anzahl der Kinder, die eine Frau im Leben erwarten kann. Sehr arme Länder, mit einem pro-Kopf BIP unter etwa 10 000$, haben eine sehr hohe Fruchtbarkeit. Bei reicheren Ländern gibt ist sie sehr viel geringer, und es gibt eine leicht abnehmende Tendenz mit ansteigendem Wohlstand.

Hier sind einige Warnungen zum Diagramm angebracht: Die CIA-Datenbank listet nicht nur einzelne Länder auf, sondern spaltet auch manche Länder in Regionen (z.B. sind die Falklandinseln separat von Großbritannien gelistet). Auch politisch umstrittene Regionen wie der Gazastreifen sind aufgeführt. Dadurch gibt es mehr Datenpunkte als Länder auf der Erde. Außerdem gibt es (mindestens) zwei Probleme. Zum einen sind manche Bevölkerungen so klein, daß die Zahlen kaum statistischen Wert haben. Boris Becker allein könnte in manchen kleinen Ländern die Einkommensstatistik durcheinander wirbeln. Oder die Geburtenstatistik… Zum anderen ist für einige Länder die Datenlage ausgesprochen unsicher und die Werte bestenfalls grobe Schätzungen. Um keine willkürlichen Auswahlkriterien einzuführen, nehme ich einfach alle verfügbaren Datenpunkte mit. Man sollte in diesem Fall aber keinen zu großen Wert auf einen einzelnen Punkt legen und sich auf das grobe Bild beschränken.

Man erkennt also schon jetzt den großen Einfluß des Wohlstands auf die menschliche Fortpflanzung. Nun können wir genauer in die Diagramme gucken und nach Religionen oder geographischen 
Regionen sehen.


Religion


Zuerst wollen wir nach dem Einfluß der Religion auf die Fruchtbarkeit suchen. Dazu können wir ebenfalls aus der CIA-Datenbank die in den einzelnen Ländern vertretenen Religionen und ihre Anteile heraussuchen. Wir teilen die Länder der Erde in drei Gruppen auf: Diejenigen, in denen Christen die absolute Mehrheit der Bevölkerung stellen (alle Geschmacksrichtungen der Christentums werden zusammengezählt), diejenigen Länder, in denen die Muslime die absolute Mehrheit der Bevölkerung stellen (auch hier werden alle muslimischen Geschmacksrichtungen zusammen genommen). Und die Länder, in denen eine andere oder keine Religion die absolute Mehrheit der Bevölkerung hinter sich vereint.
Färben wir die Datenpunkte entsprechen ein, dann sieht das so aus:
Offenbar fallen muslimische Länder nicht besonders gegenüber den christlichen Ländern aus dem allgemeinen Trend heraus. In reichen bis sehr reichen muslimischen Ländern ist die Fruchtbarkeit der Frauen ähnlich niedrig wie in reichen christlichen Ländern, in armen muslimischen Ländern ist sie in etwa so hoch wie in armen christlichen Ländern. Man könnte beim längeren Ansehen des Diagramms allenfalls den Eindruck gewinnen, in reichen, muslimisch geprägten Ländern sei die Fruchtbarkeit ein kleines bisschen höher als in christlichen Ländern, und dort wiederum ein wenig höher als in sonstigen Ländern. Was die reichen muslimischen Länder angeht, so lohnt sich ein kurzer, genauerer Blick.

Wir können die zeitliche Entwicklung der Fruchtbarkeit in reichen muslimischen Ländern ansehen, die Daten dazu gibt es bei der Population Division der Vereinten Nationen. Im folgenden Diagramm vergleichen wir die modellierte Fruchtbarkeit in drei sehr muslimischen Ländern, Saudi-Arabien, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten, ab 1950. Auch eingetragen ist eine Prognose bis 2050.  Die grau unterlegte Fläche in den Diagrammen geben dabei die Grenzen für eine hohe und niedrige Prognose, sie geben ein zumindest ungefähres Gefühl für die Unsicherheit der Modelle. Zum Vergleich ist auch Deutschland eingetragen.
Die drei wohlhabenden muslimischen Staaten haben einen drastischen Einbruch in der Fruchtbarkeit durchgemacht, in 50 Jahren ist die Fruchtbarkeit von etwa 7 auf 2 Kindern pro Frau abgestürzt! Und die Entwicklung ist noch nicht am Ende. Glaubt man den Prognosen, dann sind diese muslimischen Länder im Jahre 2050 in Sachen Fruchtbarkeit mehr oder weniger da, wo Deutschland auch ist.
Nun ist es schon bemerkenswert, daß selbst in den konservativsten muslimischen Ländern die Tendenz dieselbe ist wie in reichen christlichen Ländern. Religion oder Feminismus spielen womöglich nur eine untergeordnete Rolle, und mit dem Wohlstand nimmt die Zahl der Kinder so oder so ab. Und wenn wohlhabende muslimische Länder noch leicht höhere Fruchtbarkeitsraten haben als vergleichbar reiche christliche Länder, dann ist das möglicherweise nur Folge des späten aber umso heftigeren Einbruchs in der Fruchtbarkeit, die sich noch nicht wie in Deutschland auf niedrigerem Niveau stabilisiert hat.


Afrika


Als Zweites wollen wir noch nach Höckes vermehrungsfreudigen Afrikanern sehen. Genau genommen meint er wohl das Afrika südlich der Sahara. Heben wir also diese Länder im Diagramm farbig hervor:
Also stimmt es schon, die Länder südlich der Sahara haben im Schnitt eine sehr hohe Fruchtbarkeit. Allerdings sind diese Länder auch sehr arm. Und im Großen und Ganzen fallen diese Länder nicht aus dem weltweiten Trend zwischen Wohlstand und Fruchtbarkeit heraus.

Einzig zwei Datenpunkte passen gar nicht in dieses Diagramm, die beiden wohlhabendsten Länder südlich der Sahara laut diesem Diagramm. Diese beiden Länder sind Äquatorialguinea und Gabun. Und diese Länder sind sehr problematisch was die Qualität der statistischen Daten angeht. Unterschiedliche Quellen (CIA, Weltbank, die Staaten selbst) geben sehr unterschiedliche Werte an, die sich in kurzer Zeit stark ändern. Von Äquatorialguinea ist nicht einmal die Einwohnerzahl bekannt, die Werte reichen von 0.7 bis 1.7 Millionen Einwohner. Diese beiden Punkte taugen daher gar nichts und man sollte sie vor einer Betrachtung ausklammern.

Die Bevölkerungen der reicheren afrikanischen Länder, Südafrika, Botswana, Namibia, haben eine Fruchtbarkeit, die nicht anders ist als die in vergleichbar reichen Ländern in anderen Teilen der Welt.
Zum Schluß können wir noch mal die zeitliche Entwicklung der Fruchtbarkeit in zwei sub-Sahara-Staaten vergleichen, dem selbst für afrikanische Maßstäbe sehr armen Burundi und dem für afrikanische Verhältnisse durchaus wohlhabenden Botswana. Die Daten kommen wieder von der UN, außerdem ist noch die Entwicklung des BIP pro Kopf in das Diagramm eingetragen. Die Zahlen dazu stammen vom Datensatz der Weltbank.
Beide Länder wiesen 1950 eine vergleichbar hohe Fruchtbarkeit auf. Im sehr viel wohlhabenderen Botswana ist diese aber früher und viel stärker eingebrochen als im armen Burundi. Für Botswana sagt die Prognose für 2050 eine Fruchtbarkeit um die 2 Kinder pro Frau voraus, womit auch dieses südafrikanische Land an Bereiche heran kommen würde, in denen auch reiche muslimische und europäische Länder zu erwarten sind.


Fazit


Das Fazit ist ganz einfach. Es gibt in der Welt keine besonders hohe muslimische Fruchtbarkeit und keine besonders hohe afrikanische Fruchtbarkeit. Alles, was es gibt, ist eine hohe Armutsfruchtbarkeit. Ob ein armes Land in Afrika liegt oder nicht oder ob es muslimisch ist oder nicht, spielt gegen kaum eine Rolle.

Natürlich haben wir bisher nicht über einen ursachlichen Zusammenhang zwischen BIP und Fruchtbarkeit gesprochen, nur über eine Korrelation. Man kann lange und ausgiebig Vermutungen anstellen, wie und wieso diese beiden Größen so eng zusammen hängen. Wissen über und Zugang zu Instrumenten der Familienplanung könnten eine Rolle spielen, die Kosten für das Ausziehen eines Kindes, die Vielfalt in Gestaltungsmöglichkeiten des Lebens in reichen Gesellschaften. Und auch die soziale Versorgung und Absicherung. In sehr armen Ländern ist eine Absicherung gegen Krankheit und des Alters nur über die eigenen Kinder möglich, daher sind sehr viele Kinder anzuraten. Erst wenn die Produktivität hoch genug ist, kann die soziale Absicherung selbst erwirtschaftet werden.
Und am Ende gibt es dann doch noch einen Anschlußpunkt an Björn Höcke.
Wenn sich die Nazis in ihrer schlichen Einfalt tatsächlich so sehr vor der Vermehrung der Nicht-Arier gruseln, dann liegt doch eine Verteidigungsstrategie auf der Hand! Man muß den Negern und Muselmanen nur zu mehr Wohlstand verhelfen! Dann sollten die ganz von alleine weniger Nachwuchs produzieren. Und wer daheim einen bescheidenen Wohlstand erlangt, der hat auch weniger wirtschaftlichen Anreiz, in die europäischen Kulturnationen zu fliehen. Am Ende hätten die Menschen und ihre wenigen Kinder bessere Lebensaussichten, was dann auch den Gutmenschen freut.
Nazi und Gutmensch Hand in Hand gegen die Armut in der Welt, das wird eine Querfront! Aber dem Höcke gebe ich bei einer Lichterkette nur die Hand, wenn ich Gummihandschuhe tragen darf. Ganz, ganz dicke Gummihandschuhe. Bis über die Ellenbogen!

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Multiples Raum-Zeit-Versagen

Satellitenbildbeweisen kritisch gegenüber zu stehen ist ja immer eine hervorragende Idee. Aber was sich Spiegel Online heute als "Analyse" der angeblichen Beweise, die Russland für einen Ölhandel zwischen dem IS und der Türkei vorgelegt hat, geleistet hat… Da fehlen einem die Worte!
Nehmen wir z.B. dieses Bild aus dem SpOn-Artikel (zur Vergrößerung anklicken):
Dazu schreibt SpOn: "Moskau hat keine Angaben darüber gemacht, wann und wo die Aufnahmen gemacht wurden".
Na, da helfe ich doch gerne weiter! Die Aufnahmen wurde am 28. November 2015 in der Nähe von Karachok in Syrien gemacht. Und das weiß ich nicht aus komplizierten Bildanalysen, das hat mir der Generalleutnant der russischen Armee Sergei Rudskoy verraten. Einfach so. Denn das russische Verteidigungsministerium hat alle Folien der Präsentationen zum Thema online gestellt. Das hier von SpOn präsentierte Bild stammt von Folie 24 aus der Präsentation von Sergei Rudskoy. Und auf Folie 23 seiner Präsentation gibt es das Übersichtsbild, aus dem die beiden obigen Ausschnitte A und B gewählt wurden. Und da steht, daß diese Aufnahme eben vom 28. November 2015 und aus Karachok stammt.
Aber die Leistung der Spiegelleute steigert sich noch. Hier:
SpOn schreibt dazu: "Moskau machte keine Angaben dazu, von wann das Bild stammt." Und nun ist mein Russisch ja auch nicht sooo wahnsinnig gut. Aber ich glaube, "18. Oktober 2015", wie es fett und deutlich weiß unterlegt im Bild selbst drin steht, das bedeutet schon soviel wie "18. Oktober 2015", das Aufnahmedatum des Bildes. Und das ist auch kein einmaliger Fehler, im nächsten Bild zum SpOn-Artikel dasselbe:
Auch zu dieser Aufnahme heißt es von SpOn: "Sie ist ebenfalls nicht datiert." Und auch hier steht das Aufnahmedatum 18. Oktober 2015 im weiß unterlegten Text im Bild drin.
Soviel Dummdreistigkeit, Bilder aus einer Präsentation zu nehmen und über sie zu schreiben, ohne sie sich auch nur mal flüchtig anzusehen… Das ist selbst für Propagandamaßstäbe bemerkenswert!

Mittwoch, 2. Dezember 2015

Fascho-Ich

Eigentlich bin ich eine sehr tolerante Person. Und ich komme auch super mit den Menschen klar. Wie hat schon der Olle Fritz gesagt? Jeder soll nach seiner Fassong selig werden! Genau das ist auch mein Motto! Trotzdem finde ich, es gibt schon so gewisse Grenzen, da muß man's auch nicht übertreiben.

Rauchen zum Beispiel. Kann ich nicht leiden. Und das muß ja auch nicht sein, das Rauchen. Schließlich schadet man sich damit ja nur selbst. Die Raucher wissen das natürlich auch, aber sie sind so süchtig, so abhängig, da können die sich nicht mehr helfen. Aber dann ist da noch die Schädigung ihrer Mitmenschen! Giftiger Rauch, Gestank, Zigarettenstummel auf der Straße. Und die Kosten für ihre gesundheitlichen Schäden, die bürden sie auch der Allgemeinheit auf. Ich finde, hier kann man wirklich ruhig mal ein bisschen nachhelfen, so mit Tabaksteuer und Rauchverboten und so. Ist ja auch zu deren besten, wenn diese Leute mal ein bisschen auf ihre Gesundheit und auf das Wohlbefinden ihrer Mitmenschen achten.

Und diese Fettleibigen, die kann ich auch nicht leiden. Die sehen ekelhaft aus, die Fetten. Und die nehmen in der U-Bahn gleich zwei Sitzplätze weg für ihre eine Fahrkarte. Und die Kosten für all die medizinischen Behandlungen für ihre Diabetes und die Gelenkprobleme und was nicht alles, die darf ich auch mit meinen Krankenversicherungsbeiträgen mitfinanzieren. Ich finde, hier könnte man ruhig mal ein bisschen eingreifen, so mit Fettsteuer und Lebensmittelampeln und so, daß diese Leute sich nicht so gehen lassen und mal ein bisschen auf sich achten. Tu' ich ja auch! Und dieses ganze Fressen, das muß ja auch nicht sein.

Überhaupt, dieses ganze Essen... Exzessive Fleischkonsum, den finde ich auch nicht gut. Und der muß ja auch nicht sein. Aber die Leute essen lauter Fleisch, jeden Tag, und die Hormone aus der Massentierhaltung, die haben wir alle dann im Grundwasser, und das bei der Tierzucht freigesetzte Methan ist noch schlimmer für den Klimawandel als Kohlendioxid und die Rechnung zahlen wir alle. Auch die, die gar nicht so viel Fleisch essen und lieber ein bisschen auf sich achten, so wie ich. Ich finde nämlich schon, daß man sich da schon mal ein bisschen zurücknehmen kann und nicht jeden Tag Fleisch essen muß. Dafür kann man sich dann ja ab und zu ein schönes Stück Fleisch aus dem Bioladen holen. Mach ich selbst ja auch.

Ach ja, und Schwulen, die übertreiben es auch, finde ich. Ich mein', ich hab ja nichts gegen die Schwulen, wirklich nicht. Aber müssen die ständig in der Öffentlichkeit auf ihre sexuelle Orientierung hinweisen, so mit Christopher Street Day und Gay Pride und in irgendwelchen Talkshows und so? Ich mein', das mach ich ja auch nicht, und das muß ja wohl auch nicht sein.

Und, da fällt mir jetzt noch ein, wenn jemand den Glauben anderer lächerlich macht, das finde ich auch gar nicht gut. Ich mein', jeder hat das Recht, nach seiner Façon glücklich zu werden, und da muß man sich dann auch nicht drüber lustig machen. Ich mache mich ja auch nicht über andere lustig. Und ich finde, da sind die dann auch ein Stück weit selbst mit Schuld, wenn die sich über den Glauben anderer lustig machen und dann mal einer durchdreht und die dann wegknallt oder sowas.

Gut, zum Schluß sollte ich vielleicht noch die Ausländer erwähnen. Nein - ich habe überhaupt nichts gegen Ausländer, überhaupt nicht! Aber daß die sich anpassen, das kann man ja irgendwie schon erwarten, oder? Ich mein', ich hab mich ja auch angepasst. Mein Leben lang. Da kann man das von den Ausländern ja irgendwo auch erwarten. Und das tun sie leider nicht. Sonst würde man ja nicht auf den ersten Blick erkennen, daß die Ausländer sind. Ich mein', so einem Juden hier bei uns, dem sieht man ja auch nicht schon von Weitem auf der Straße an, daß der ein Jude ist, nicht? Ist klar, was ich meine, oder? Da muß man ja vorsichtig sein, wenn man was mit Juden sagt, da wird man ja sonst schnell mißverstanden. Aber die Ausländer, die kommen hierher und wollen alles geschenkt haben. Und natürlich geht das nicht, und so leid es mir tut, da muß man dann auch konsequent sein und das stoppen. Mir hat ja schließlich auch niemand was geschenkt. Alles, was ich habe, habe ich mir ganz allein selbst verdient. Und da darf ich doch schon ein bisschen stolz drauf sein, finde ich.

Sie sehen, eigentlich erwarte ich von niemanden irgend etwas, das ich nicht selbst zu tun bereit bin. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich so gut mit meinen Mitmenschen auskomme. Das einzige, was ich aufs Verrecken nicht ausstehen kann, das sind Menschen, die anders sind als ich. Aber das muß ja auch keiner sein, nicht wahr?