Samstag, 25. Juli 2015

Der lange Urlaub vom Krieg

Heute Abend hatte ich eine interessante Begegnung auf dem Spielplatz. Dort war ein Mann mit einem kleinen Jungen, die Russisch miteinander sprachen. Und da ich selbst gerade in russischsprachiger Begleitung unterwegs war, kam es zu eine Unterhaltung. Es stellte sich heraus, daß der Mann Ukrainer aus Donezk war, der mit seiner Frau und seinem dreijährigen Sohn vor dem Bürgerkrieg nach Spanien geflohen ist. Die Gelegenheit, Fragen zum Krieg in der Ukraine mal einer betroffenen Person zu stellen, musste ich dann doch nutzen, und ich will das Gespräch hier einfach mal zusammenfassen.
Der besseren Struktur wegen gebe es in Form von Frage und Antwort wieder, auch wenn es kein Interview war, sondern ein normales Gespräch, das ich selbst übersetzt bekommen habe und jetzt aus der Erinnerung aufschreibe. Das ist zwar kein Qualitätsjournalismus, aber hey, das hier ist ja auch nur eines von diesen Blogs, da geht das in Ordnung. Ich bemühe mich, die Aussagen des Herrn inhaltlich so genau wiederzugeben, wie mir das unter den Umständen halt möglich ist.


Wie kommt man denn aus Donezk nach Spanien?

Wir sind nach Kiew gefahren und haben da eine Pauschalreise nach Spanien gebucht. Mit dem Touristenvisum kann man nach Spanien einreisen und da kann man, seit das Internationale Rote Kreuz die Situation in der Ostukraine als "Bewaffneten Konflikt" eingestuft hat, einen Flüchtlingsstatus beantragen. Die Entscheidung darüber kann sich Jahre hinziehen, aber solange wird man geduldet.

Woher wussten Sie, daß das so relativ einfach geht?

Vor ein paar Monaten, als wir gekommen sind, ging das noch so einfach. Inzwischen ist auch Spanien strenger mit der Vergabe von Touristenvisa. Bisher gelang es Verwandten von mir nicht, auf die gleiche Weise nachzukommen. Bekannte, die schon lange in Spanien leben, hatten uns zu diesem Vorgehen geraten.

Sind viele Menschen aus der Ostukraine geflohen?

Ja, sehr viele. Es würde mich nicht wundern wenn die Hälfte der Einwohner die Ostukraine verlassen hat. Es bleibt nur, wer gar keine andere Möglichkeit hat.

Wie ist das Leben in Donezk gewesen?

Wie man sich das auch hier vorstellt. Wir haben auch Nächte im Keller verbracht und ich mußte auch manchmal auf der Arbeit unter den Schreibtisch krabbeln, wenn Granaten ein der Nähe einschlugen.

Glauben Sie, daß der Krieg in der Ostukraine von Russland aus gesteuert wird?

Naja, teils teils. Auf jeden Fall unterstützt Russland die Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Alleine hätten die Einheimischen nicht so lange durchhalten können. Im russischen Fernsehen erklären sie immer, die Volksrepubliken würden mit Waffen kämpfen, die sie aus Beständen der ukrainischen Armee erbeutet hätten. Aber selbst wenn das stimmt, woher haben sie die Munition, um so lange Krieg zu führen? Ganz sicher unterstützt Russland die Volksrepubliken mit Material und vielleicht auch organisatorisch. Aber was man im ukrainischen Fernsehen hört, daß die Ukraine gegen reguläre russische Einheiten kämpfen würde, das ist Quatsch. Ich selbst jedenfalls habe nie etwas von regulären russischen Truppen mitbekommen und glaube auch nicht, daß es die in der Ukraine gibt.

Wird der Krieg bald vorbei sein?

Nein. Es wird so leicht keine Versöhnung mit Kiew geben, dazu ist schon zu viel passiert und es sind zu viele Menschen in diesem Krieg getötet worden.

Russland könnte eine militärische Entscheidung zugunsten der Volksrepubliken forcieren?

Russland braucht eine Pufferzone zwischen sich und der NATO. Solange der Krieg in der Ukraine andauert, wird sie nicht der NATO beitreten. Und die NATO wird die Ukraine nicht so leicht aufgeben. Der Krieg wird noch sehr lange dauern.

Wie soll es für Sie jetzt weiter gehen?

Nach einem halben Jahr Duldung bekommt man in Spanien eine Arbeitserlaubnis. Bis dahin wollen meine Frau und ich Spanisch gelernt haben und wir hoffen, eine Arbeit zu finden.

Die Lage auf dem spanischen Arbeitsmarkt ist zur Zeit nicht gerade rosig?

Ja, ich weiß, aber eine andere Möglichkeit bleibt uns nicht.

Samstag, 18. Juli 2015

Sommer 15

Es ist gar nicht so leicht zu sagen, was am ehesten Deutschland im Sommer 2015 darstellt. Ist es eine Boulevardzeitung, die die Kanzlerin mit Pickelhaube abbildet - und das nicht als Beleidigung, sondern als Ansporn meint? Ist es ein CDU-Politiker, der die vollständige Entmündigung und Demütigung eines anderen EU-Landes mit den Worten "Der Grieche hat jetzt lang genug genervt" kommentiert? Oder ist es die Kanzlerin Merkel selbst, die erst einem Flüchtlingsmädchen mit dem deutschesten aller möglichen Argumente - Wo kämen wir hin, wenn das alle machen würden?! - erklärt, daß es in Deutschland nun mal keinen Platz für sie gibt. Und es, wenn es zu weinen beginnt, damit tröstet, daß es doch für die Kamera alles prima gemacht hätte?
Das finde ich alles zwar recht passend, aber es fehlt dabei das Sommerliche für Deutschland im heißen Sommer 2015. Aber dann habe ich ein Werbebanner mit Reklame für Katzenfutter gesehen. Für Delikates-Katzenfutter. Mit einer fetten weißen Katze auf einer Jacht.
2015 sind schon Tausende von Menschen im Mittelmeer ertrunken beim Versuch, ein winziges Stückchen vom europäischen Wohlstand abzubekommen. Und wir haben auf einer Jacht auf Kissen gebettete Katzen, die mit Fischer's Delikatessen ("Zander mit Zucchini") gefüttert werden sollen. Auch das ist Deutschland im Sommer 2015...

Dienstag, 7. Juli 2015

Von Afrika lernen

Ein Bekannter von mir ging einmal für einige Zeit beruflich und im Dienste eines ausländischen Unternehmens in die Elfenbeinküste. Zu den größten kulturellen Verständigungsproblemen gehörte dabei Verhältnis zu Hauspersonal. Andere Menschen zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten einzustellen widerstrebte ihm zutiefst, er und seine mitgereiste Gattin empfanden es als dekadent und überheblich. Als sie keine Putzfrau einstellen und das Haus wie daheim selbst sauber halten wollten, eskalierte die Beziehung zu den Einheimischen. Sie wurden beschimpft, bedroht, es wurde vor ihnen ausgespuckt. Die Beiden fühlten sich sehr unwohl und konnten nicht mehr ruhig schlafen. Denn die Elfenbeinküstler hatten in dieser Hinsicht ein ganz anderes Verständnis. Die Weißen waren für sie Reiche - und gemessen an den Einkommensverhältnissen dort war der Haushalt meines Bekannten tatsächlich schwer reich. Und es war nicht das Privileg der Reichen, Hauspersonal einzustellen, sondern ihre gesellschaftliche Pflicht. Es war ein Weg, die Bevölkerung am Reichtum teilhaben zu lassen, indem man ihnen eine Gelegenheit zur Erwerbsarbeit bot. Dabei gab es ziemlich klare Vorstellungen, wieviel Personal bei einem gewissen Reichtum angemessen war. Eine Putzfrau war das mindeste. Je reicher jemand war, desto mehr Personal kam hinzu, ein Koch, ein Gärtner, irgendwann noch ein Chauffeur. Erst als die Bekannten ihrer gesellschaftliche Verantwortung nachkamen und eine Putzfrau bzw. Putzmann einstellten und einen Jungen bezahlten, für sie die Einkäufe zu erledigen, beruhigte sich die Lage wieder.
Die Beiden arrangierten sich mit den Umständen, die sie für einen Ausdruck einer ökonomisch wenig entwickelten Gesellschaft hielten. Dabei gilt das gleiche Denkmuster in einer weniger persönlichen, abstrakteren Variante auch in Europa: Es ist das beliebte Argument, wenn die Reichen nur immer reicher würden, dann wäre das am Ende für alle gut. Denn der Reichtum würde nach unten durchsickern, es entstünden Arbeitsplätze, am Ende profitierten alle. Nur hat der Weiße Mann respektive die Weiße Frau sich einreden lassen, dies geschehe automatisch. Sie müßten nur geduldig abwarten und immer fleissig sein, dann käme der bescheidene Wohlstand irgendwann auch bei ihnen an. Der Schwarze Mann in der Elfenbeinküste dagegen glaubt ganz offensichtlich nicht an einen Automatismus wenn es um die Erfüllung implizierter sozialer Verpflichtungen der Reichen geht. Anders als in Europa ist es dort der Bevölkerung dort völlig klar, daß es im Zweifel wenig subtilen gesellschaftlichen Drucks bedarf, um den Anspruch auf den eigenen Anteil am Wohlstand durchzusetzen.
Wo wohnen wohl die Doofen?