Freitag, 29. Mai 2015

Germany's Next Revolutionist

Die Schocks kommen in dichter Folge.

Zuerst war das Zuschauervoting und die erschütternde Einsicht, daß bei der NDR-Sendung Die schönsten Gärten und Parks des Nordens der Rhododendronpark Ammerland in Wahrheit vor dem Hamburger City-Park "Planten un Blomen"platziert war, und nicht wie in der Sendung behauptet, dahinter! Scheinbar eine harmlose kleine Manipulation, und doch, ein Stück Vertrauen, es ging verloren.

Dann folgte die Manipulation der Handlung in der Fernsehsendung Newtopia und die bittere Erkenntnis, daß es bei den Brandenburgischen Hobbygärtnern gar nicht wirklich um das größte gesellschaftliche Experiment geht seitdem Flechter Christian die Bounty abgebrannt hat! Sondern doch nur um den üblichen TV-Müll von Doofen für Doofe.

Und dann kam die Fifa. Der einzige Männerverein, dem ich noch mehr moralische Integrität und Selbstlosigkeit zugetraut hätte als dem Vatikan! Er ist - ich konnte es kaum glauben - durch und durch korrupt! Wieder starb ein Stück meines Grundvertrauens in die Welt ab, ist unwiederbringlich dahin.

Doch das ist alles nichts gegen den heutigen Schlag: Frau Vanessa Fuchs ist Germany's Next Top Model!
Ist sie es womöglich nur, weil sie aus Heidi Klums Heimatstadt Bergisch Gladbach stammt? Zugegeben, es ist bisher nur ein Gerücht, der Focus verbreitete es schon vor einer Weile. Doch auch bei der Welt kann man die Entscheidung für Frau Fuchs nicht nachvollziehen, und Klatschseiten sind sowieso voll von Mutmaßungen, persönliche Beziehungen zwischen den Frauen Klum und Fuchs könnten beim Sieg eine Rolle gespielt haben. Und dieser Verdacht wiegt viel schwerer als eine manipulierte Fernsehsendung oder ein paar Milliarden Schmiergeld hier und da, sehr viel schwerer. Dieser Verdacht ist nichts weniger als systemdestabilisierend!

Daß es nun mal nicht alle schaffen können in dieser Welt, das haben wir ja abgekauft gegen das Versprechen, daß es zumindest jeder schaffen kann. Jeder, sofern er nur hart genug an sich arbeitet. Und das ist es, was wir auch bei GNTM gelernt haben: Wenn der zahlenden Kunde etwas will, dann darf man sich als Frau für nichts besseres halten als ein Stück Leberwurst in der Fleischervitrine. Verinnerlicht man dies nur gründlich genug, erfüllt man die Erwartungen irgendwelcher Juroren, von denen niemand so recht weiß, weshalb sie es eigentlich sind, deren Erwartungen zu erfüllen sind, nur willenloser und widerspruchsloser als die Übrigen, ja, dann bekommt man man am Ende auch sein Stück vom Kuchen ab. Dann wird man erfolgreich und besonders sein! GNTM ist der Laufsteg dieses Leistungs- und Auslesegedankens.
Und nun das! Womöglich hat am Ende nicht diejenige gewonnen, die die beste Anpassungsleistung erbracht hat, sondern diejenige mit den besten Beziehungen! Wohin gelangt man, wenn man diesen Gedanken weiterdenkt? Was heißt dies für den Alltag? All das Gebuckel und die unbezahlt durchgearbeiteten Nächte, all das Geschleime und die Selbstausbeutung, ist es am Ende nicht nur würdelos und menschenverachtend, sondern, schlimmer noch, nutzlos? Weil die einzige freie Festanstellung in der Firma unter den 500 Kandidaten sowieso nicht an denjenigen geht, der am härtesten gearbeitet und am wenigsten widersprochen hat - sondern an denjenigen, dessen Vater den Chef aus dem Tennisclub kennt?

Der Verdacht, Heidi Klum könnte die Siegerin nicht nach Qualifikation, sondern aus persönlichen Motiven heraus gekürt haben, er weist unweigerlich darauf hin, daß es nicht nur nicht alle schaffen können in dieser Welt, sondern womöglich nicht einmal jeder. Sondern nur diejenigen, die die richtige Startposition mitbekommen haben. Ein gefährlicher Gedanke. Denn würden wir ernsthaft zu dieser Einsicht kommen, wir könnten die Lust verlieren, das Rattenrennen um ein Stück vom Kuchen weiter mitzuspielen. Wir könnten gar Lust bekommen, das Spiel zu ändern.
Womöglich hat ausgerechnet Heidi Klum ohne es zu ahnen einen Schlag gegen das System geführt. Noch aber hat sich diese Einsicht nicht durchgesetzt. Noch sind wir nichts besseres als ein Stück Leberwurst in der Fleischervitrine.

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