Donnerstag, 30. Oktober 2014

Wag the dog - reloaded


Dieser Text ist natürlich hypothetisch und jede Ähnlichkeit mit realen Orten und Ereignissen sicherlich rein zufällig. Aber warum nicht mal ein bisschen hypothetisieren? Nehmen wir mal an, wir wollten die Öffentlichkeit im Bewusstsein einer Gefahr durch den Islamischen Staat halten - damit es auch überzeugend wirkt, wenn der Innenminister und mit ihm die Hauptstadtpresse erklärt, daß die Bedrohungslage auch wirklich so gegeben ist und so. Dazu bräuchte es ein schönes medienwirksames Spektakel, eine richtige Show.
Für eine solche Show braucht's als ersten natürlich eine geeignete Location, am besten ein richtiges Stadion. Es bräuchte eine Stadt an der Grenze zu einem sicheren Land, sagen wir mal, der Türkei. Idealerweise müsste man die Zuschauer auf einer Tribüne unterbringen können, damit sie auch gut sehen. Es bräuchte eine Stadt wie, sagen wir mal, Kobanê! Die perfekte Wahl! Direkt an der türkischen Grenze und mit Anhöhen auf der türkischen Seite, von denen aus man das Stadtgebiet super überblicken kann!
Einen besseren Ort kann man sich für eine IS-Show doch gar nicht wünschen! Klar, man muß erst mal Zehntausende Einwohner umsiedeln. Aber Zehntausende für ein Spektakel von Weltrang umsiedeln, das war ja auch schon bei der Fußball-WM in Brasilien kein Problem. Und bei den Millionen Flüchtlingen in Syrien fällt eine Kleinstadt mehr ohnehin nicht auf. Und auch klar, man muß noch ein bisschen Security am Spielfeldrand platzieren, damit nicht am Ende noch Spieler und Zuschauer aneinander geraten. Aber das ist ja kein Problem, die Security stellt die Türkei.
Die Zuschauer können beruhigt ihr Supertele aufbauen und das Spielgeschehen bestens verfolgen. Z.B., wer gerade wo seine Flagge aufzieht, das hat ihnen eine Weile großen Spaß gemacht.
Insgesamt ein praktisches Arrangement, von dem ja auch beide Mannschaften profitieren. Die Kämpfer des IS können sich vor der Weltöffentlichkeit als wilde Desperados inszenieren.

Kommt schon ziemlich geil rüber, oder? Also, wenn man auf sowas steht. Aber die Sympathien sollen ja erst mal der eigenen Seite gelten. Und da können die Unseren ja locker mithalten: Schöne Frauen mit Wummen! Das zeigt, wieviel moderner wir sind. Und außerdem sehen alle, selbst unsere Frauen haben mehr Eier in der Hose als diese Bartfuzis!
Was fehlt ist natürlich noch die ein oder andere gefühlige Hintergrund- und Homestory aus unserer Mannschaft, für die emotionale Bindung der Fans und so. Vielleicht ein Lkw-Fahrer aus dem Saarland:
"15 Jahre lang arbeitete der Kurde Shaqqour als Lkw-Fahrer in Saarlouis. Jetzt kämpft er in seiner Heimatregion in Syrien als Sicherheitschef gegen den IS." [1]
Schön, das schafft einen Anknüpfungspunkt. Oder eine Selbstmordattentäterin. Also, eine von unseren, eine gute Selbstmordattentäterin:
"Die Frau mit dem langen schwarzen Haar und dem offenen Lächeln ist das Gesicht des Widerstands von Kobane geworden. Es ist das Gesicht von Arin Mirkan. Sie hat sich am Sonntag vor den Toren der Stadt neben einer Stellung des "Islamischen Staats" in die Luft gesprengt. Nach Angaben der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), die den Kampf gegen den Ansturm der Dschihadisten koordinieren, soll sie angeblich Dutzende IS-Milizionäre getötet haben. […] Nach kurdischen Angaben soll die Attentäterin zwei Kinder zurückgelassen haben." [2]
Perfekt! Aber das reicht alles noch nicht aus. Um die Zuschauer bei der Stange zu halten, braucht's noch ein bisschen Atmosphäre! Maschinengewehrgeknatter in der Ferne ist da zu öde. Maschinengewehre, das sind doch die Vuvuzelas des Schlachtfeldes. Aber jeder weiß, wer so richtig geile Stimmung im Stadion will, der braucht Bengalos! Sicherheitsbedenken hin oder her, wir sind ja nicht beim Frauenfußball! Was die Wahl des Feuerwerks angeht, so müssen wir uns nicht allzu viel Gedanken machen, die Flugzeuge können einfach ein paar Bomben aus dem Lager ins Spielfeld werfen. Für die ästhetische Wirkung sorgen dann schon die Fotografen am Spielfeldrand. Raus kommen dann so Bilder wie dieses:
Und das ist doch nun wirklich hinreißend schön! Diese Farbkontraste von kaltem Blau und warmen Orange! Dieser Kontrast zwischen den strengen Linien der Häuser und dem Chaos des Rauchpilzes! Schöner kann man doch einen Bombenabwurf gar nicht im Bild einfangen! Die einzige Schwierigkeit beim Feuerwerk ist eigentlich, es nicht zu übertreiben. Den Irak militärisch zu zerstören und zu besetzen hat sechs Wochen gedauert. Für einen Pisselstaat wie Grenada hat's damals nicht mal sechs Tage gebraucht. Da muß man schon achtgeben, daß man nicht zu ernsthaft eingreift und die Schlacht um eine einzige Kleinstadt nach nicht mal sechs Stunden schon wieder vorbei ist! Schließlich wollen wir die Story ja über Monate in den Abendnachrichten halten. Gefragt ist Fingerspitzengefühl, um die richtige Balance im Spiel zu wahren!
Was es nun noch braucht, ist einfach ein gutes, ein spannendes, ein abwechslungsreiches Spiel!
"Isamischer Staat in Syrien: Kobane offenbar kurz vor dem Fall" (7.10.
"Kampf um Kobane: Kurden drängen Terrormiliz zurück" (8.10.
"Kampf um Kobane: USA fliegen neue Luftangriffe - Kurden halten die Stadt" (9.10.
"Heftige Gefechte: IS zieht Ring um Kobane immer enger" (12.10.
"Kampf gegen den IS: Kurden melden Erfolge in Kobane"(14.10.
"Kampf um Kobane: Islamischer Staat startet Großoffensive" (23.10.
"Kurden drängen IS-Kämpfer zurück" (25.10.)
U.s.w. u.s.f……. Kann man ja schon gar nicht mehr auflisten, all die Konter und Gegenkonter!
Fouls machen das Spiel noch dramatischer:
"Chemiewaffeneinsatz: IS-Kämpfer sollen Chlorgas verwendet haben" (25.10.)
Und Eigentore auch!
Ein paar Spieler auswechseln kommt beim Fan ebenfalls gut an.
Von unseren Jungs gibt's aber ganz klar die besseren Bilder:

Klasse, was? Coole Typen mit Victory-Zeichen in offenen Wagen! Bejubelt von der Menge auf dem Weg in den Kampf! Das prickelt, das hat Sexappeal! Gut funktionieren tun auch Konvois, das haben wir uns vom Putin abgeguckt:
Allein die Fahrt, eine tägliche Story!
Das ganze Spektakel jetzt noch flankieren mit Hintergrundinfos über die Vereinsmittel des Gegners, seine Flagge, das volle Programm halt!

Hat bislang ja prima geklappt, eine Supershow! Seit anderthalb Monaten trägt die Story vom Kampf um Kobanê schon. Ich bin schon gespannt, wie lange das noch so weiter geht. Und ob es ein Showdown gibt? Oder wird das einfach irgendwie totlaufen? Gewinnen die Guten? Oder werden die Guten vorher selber die Bösen? Finden wir was noch Böseres als den IS? Ich höre lieber auf, bevor die Fantasie vollends mit mir durchgeht! Das kommt ohnehin nur vom vielen Filme gucken. Die falschen Filme, natürlich. Schließlich ist der Gedanke, die Schlacht um Kobanê sei nichts weiter als am Köcheln gehaltenes Futter für die Medien und deren Konsumenten, im Grunde ganz abwegig...

1 Kommentar:

  1. Krieg ist heutzutage halt ein Quotenschlager - ein Medienereignis.
    Was mich allerdings wundert ist das Obama diesen Kram in seiner zweiten Amtszeit so mitmacht. Immerhin kann er ja nicht mehr wiedergewählt werden ;-)

    Danke zudem für die Erinnerung wieder mal "Wag the dog" aus dem Filmschrank zu holen.

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