Montag, 11. Februar 2013

Laudatio auf Frau Claudia Jarzebowski

anläßlich der Verleihung des
Hegel-Preises für die Mißachtung der Logik 2012
von Thomas Steinschneider

Meine Damen, meine Herren, liebe Freunde,

Manchmal fällt es nicht leicht, angemessene Worte zu finden. Dies ist insbesondere bei emotionalen, dem üblichen Empfinden zuwiderlaufen Themen der Fall. Einvernehmlicher Inzest ist ein solches Thema. Wir sollten daher dankbar sein, wenn sich große Denker zum Wohle der Allgemeinheit in ein solch belastendes Thema eindenken und uns an ihren Einsichten teilhaben lassen. Und um wieviel dankbarer sollten wir erst sein, wenn diese großen Denker bereit sind, sich zum Wohle der Allgemeinheit über alle Aspekte der Logik und Vernunft hinwegsetzen, nur um uns zu beweisen, daß das, was wir für widerlich und widernatürlich halten, auch tatsächlich verboten gehört!
Die diesjährige Preisträgerin des Hegel-Preises für die Mißachtung der Logik, Frau Professor Doktor Claudia Jarzebowski, ist eine solch große Denkerin. Und sie beweist uns, daß nicht allein die Boulevardmedien imstande sind, alle logischen Zusammenhänge in die verdiente Bedeutungslosigkeit zu verdammen. Sondern daß auch die deutsche Intelligenz sich nicht scheut, eine sachliche Auseinandersetzung vorzutäuschen um zur erwünschten Schlußfolgerung zu gelangen. Alles, was es dazu benötigt, ist eine formal beeindruckende Strukturierung des Textes und eine ausreichend hohe Fremdwortdichte. Richten wir unser Augenmerk also auf das zu Recht mit dem Hegel-Preis 2012 ausgezeichnete Werk von Frau Jarzebowski, ihre Stellungnahme im Deutschen Ethikrat vom 22. November 2012 zum Thema "Inzestverbot".

Um das Schaffen der Preisträgerin voll zu würdigen, müssen wir zunächst das Jarzebowski'sche Werk von all seinen Plattidüden ("Inzestverbote hat es zu jedem Zeitpunkt und in jeder Kultur gegeben.") und nicht durchdachtem intellektuellen Zierrat ("Sigmund Freud geht soweit, Inzest als Indikator für den Zivilisationsgrad einer Gemeinschaft zu setzen.") bereinigen. Was wir dann finden, sind zwei interessante Einsichten:
Frau Jarzebowski stützt die Ansicht, "dass ein [...] nennenswertes Maß an inzestuösen Beziehungen in einer Gemeinschaft destabilisierend wirken würde und somit auch Maßstäbe der kulturellen Orientierung nachhaltig infrage gestellt und mittelfristig verloren gehen würden." Allerdings finden wir im Jarzebowski'schen Opus auch: "Ich bin hingegen nicht der Meinung, dass die Aufhebung des Inzestverbotes zu einem Anstieg inzestuöser Beziehungen/Übergriffe führen würde."
Der flüchtige Betrachter mag da denken: Hey, offenbar gibt es also kein nennenswertes Maß an inzestuösen Beziehungen in unserer Gesellschaft, und das Inzestverbot hat auf die verbleibenden Fälle ohnehin keinen Einfluß. Das sind ja gleich Punkte, mit denen sich eine Aufhebung des Inzestverbots begründen liesse! Doch eine Hegel-Preisträgerin zeichnet sich dadurch aus, in der Landschaft der Argumente weiter sehen zu können als der gewöhnliche Denker es vermag:
"Zusammenfassend komme ich damit zu der Auffassung, dass die Aufhebung des Inzestverbotes (lt. § 173 StGB) kaum schlüssig begründet werden kann."
Wie also entkräftet Frau Jarzebowski ihre eigenen Gründe für eine Aufhebung des Inzestverbots? Gleich zwei ebenso brillante wie in ihrer logischen Stärke unerschütterliche Argumente vermag sie ins Feld zu führen. Das erste dieser beiden Argumente haben wir schon erwähnt: Es mag zwar kein nennenswertes Maß an inzestuösen Beziehungen in unserer Gesellschaft geben, aber wenn es sie geben würde, dann wäre (aus welchen Gründen auch immer) unsere gesellschaftliche Stabilität und kulturelle Orientierung verloren. Und das kann schließlich niemand wollen. Und um uns also gegen nicht gegebene Umstände zu wappnen, braucht es einen knallharten Akt der Symbolik. Und was könnte für einen symbolischen Akt geeigneter sein als das Strafgesetzbuch?
Das zweite ihrer Argumente ist von noch größerer intellektueller Kühnheit und Schlagkraft. Im Wortlaut:
"Vielmehr gilt es zu berücksichtigen, dass inzestuöse Beziehungen sexueller Prägung zu keinem historischen Zeitpunkt breit akzeptiert oder praktiziert wurden, das Verbot dennoch zu jedem Zeitpunkt für sinnvoll und erforderlich erachtet wurde. Warum also sollte es aufgehoben werden?"
Ja genau, möchte man da ausrufen, weshalb sollte man etwas ändern wollen, das doch schon immer so war!
Meine Damen und Herren, liebe Freunde, mit dem diesjährigen Hegel-Preis für die Mißachtung der Logik wurde nicht einfach ein Bruch in der Logik ausgezeichnet. Nein, ausgezeichnet wurde die Mißachtung der Logik in einem anderen Sinne - dem Mut zum völligen Verzicht auf Logik! Und mit dem guten Gefühl, wieder zu wissen, wozu sich unsere Gesellschaft eine sorgsam nach Qualifikation ausgewählte Hochschullehrerschaft leistet und deren Rat in ethischen Aspekten der Gesetzgebung sucht, wollen wir uns jetzt ein wenig stärken. Das Buffet ist eröffnet!

2 Kommentare:

  1. Eine würdige Preisträgerin. Sie ist allerdings - anders als an anderer Stelle hier behauptet - kein Mitglied des Ethikrates. Ihre Aufgabe war es, den Ethikrat zu beraten, nicht die Bundesregierung.

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    1. Das ist richtig, vielen Dank für den Hinweis! Die Stelle ist korrigiert...

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