Samstag, 14. April 2012

Europareise der Inkompetenz: 5 - Italien

Wo ein Italienbesuch ansteht, dachte ich mir, wird es Zeit, Italien auch mal auf unserer Europareise der Inkompetenz näher zu betrachten. Doch nach kurzem Überlegen wurde mir klar, hier sind wir völlig falsch. In Italien gibt es keine Inkompetenz.
Ich meine, das fängt ja schon damit an, daß kein anderes Land der Welt in seiner Bedeutung so sehr unterschätzt wird wie Italien. Griechenland etwa wird allenthalben angerechnet, hach, die Demokratie erfunden zu haben, während Italien auf die Heimat des Mozzarella reduziert wird. Doch das Prinzip "Brot und Spiele", das Bankenwesen und die Pizza, und somit alles, was für einen modernen Staat im 21. Jahrhundert wirklich von Relevanz ist, stammen von da, wo heute Italien ist. Doch nicht nur das, Italien hat schon vor Jahrhunderten ausprobiert, oft mehrfach, was anderen Ländern immer noch bevorsteht. Während Deutschland sich fürchtet, von primitiven türkischen Gemüsehändlern abgeschafft zu werden, wurde Italien gleich mehrfach von den primitiven Germanen überrannt. Und es existiert immer noch. In Deutschland diskutiert man endlos über Stuttgart 21, in Italien hat man Alt-St. Peter abgerissen und einen neuen Petersdom draufgeklotzt. Und während man es in Deutschland für spätrömische Dekadenz hält, wenn der keine Anschlußverwendung findende Pöbel seine 200 Gramm Discounterwurst im Monat vom Leistungsträger bezahlt bekommt, läßt sich ein italienischer Ministerpräsident marokkanische Nutten im Regierungsflugzeug in seine toskanische Villa einfliegen. Kann man sich vorstellen, daß ein deutscher Präsident sich seine Nutten von der Flugbereitschaft der Bundeswehr in sein Einfamilienhaus in Großburgwedel einfliegen läßt? Spätestens an diesem Punkt erahnt man, wie viel größer, wie unendlich weit voraus Italien der übrigen Welt in jeder Hinsicht, im Guten wie im Schlechten, doch ist! Wobei - einfach gerade voraus kann man auch nicht behaupten. Eigentlich geht es ja räumlich und zeitlich alles durcheinander. Italien ist seit fast drei Jahrtausenden ununterbrochen aufgeführte Aktionskunst, die von tiefsten menschlichsten Abgründen über die schärfste Realsatire bis in die höchsten zivilisatorischen Höhen wandelt, und das alles gerne auch noch mehr oder weniger gleichzeitig. Kein Wunder, daß die italienische Literatur ausgerechnet mit Dante Alighieris Wanderung von der Hölle durchs Fegefeuer in den Himmel begann! Nein, Italien fehlende Kompetenz vorzuhalten, das wäre wie dem Jazz fehlenden Rhythmus vorzuwerfen oder van Gogh fehlende Ohren. Italien muß man als ein über Zeit und Raum erhabenes, zum Gesamtkunstwerk geronnenes gesellschaftliches Dauerexperiment betrachten. Meinetwegen könnte man es ja komplett und inklusive der Einwohner zum Weltkulturerbe erklären. Wenn wir aber in Kategorien wie Inkompetenz denken wollen, dann müssen wir weiter ziehen...

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