Donnerstag, 12. April 2012

Die Hohe Kunst des Heuchelns

Eine gut gewählte Abbildung
hilft, auch komplexe Positionen
anschaulich zu machen.
Das mit den Kindern eine große Zeit des Heuchelns ansteht, war mir klar: "Das ist ja ein tolles Bild, das du da gemalt hast!", "Klar will ich hören, was du auf der Blockflöte geübt hast!", "Du willst Fennistik studieren? Doch, doch, super Idee, das Studium unterstütze ich gerne!". Doch das Geheuchel setzt schon früher ein, als ich vermutet hätte, viel früher. Denn die besorgte Mutter meinte, ich dürfe beim Windeln wechseln keinesfalls meine Abscheu vor der Kacke zum Ausdruck bringen. Das Baby könne ja nicht unterscheiden, ob meine Abneigung der Kacke oder ihm gilt, und es wäre womöglich traurig, weil es meinte, ich würde es plötzlich nicht mehr mögen. Also egal, wie viel Scheiße es produziert hat, ich lächle tapfer und tue, was getan werden muß. Das fühlt sich nicht gut an. Doch ich finde Trost und Kraft, wenn ich mir dabei in Erinnerung rufe, daß ich nicht alleine bin mit meinem Leid. Denn wie muß sich ein Herr Mascolo vom Spiegel gefühlt haben, als er Sarrazins Deutschland schafft sich ab im Vorabdruck brachte? Oder Herr Di Lorenzo bei seinem Interview mit Guttenberg? Wie mag Herr Kister von der Süddeutschen empfunden haben, als er Grass' Gedicht Was gesagt werden muss abdruckte? Sie alle taten tapfer lächelnd das, was getan werden mußte. Nicht für den Leser, aber für sich selbst. Denn ohne ihren Einsatz hätte es die öffentlichen Diskussionen über aussterbende Deutsche, wiedergängerische Wettertannen und verwirrte alte Nobelpreisträger nicht gegeben. Nicht, daß diese Diskussionen für die Öffentlichkeit nötig gewesen wären! Was waren denn meine persönlichen Erkenntnisse, nachdem ich wochenlang die Angelegenheiten verfolgt hatte? Ist man nur skrupellos genug, dann kann man in Deutschland als schreibender Hobbygenetiker auf Migrantenkosten reich werden. Es gibt tatsächlich Menschen, die einer reizenden indischen Augenärztin in den USA bedürfen, da sie sonst nicht bemerken, daß sie auch ohne Brille sehen können. Geplapper wird dadurch zum Gedicht, daß man es linksbündig, mit zweifachem Zeilenabstand und mit einem Zeilenumbruch nach jedem Halbsatz niederschreibt. All das sind nicht gerade überwältigende Einsichten. Nein, der Leser hätte gut auf all diese Veröffentlichungen verzichten können. Doch womit hätten die Zeitungen sonst wochenlang ihre Seiten gefüllt, wenn nicht mit der Diskussion um ihre eigenen Beiträge? Da habe ich es eigentlich sogar noch besser als genannten Herrn. Denn für mich hat das in die Scheiße lächeln schon bald wieder ein Ende. Will man dagegen den öffentlichen Diskurs (auf sich selbst) lenken, dann muß man es immerfort, wieder und wieder tun. Und Säue, die es kaum abwarten können, sich endlich auch durchs Dorf treiben zu lassen, von denen gibt es ja noch genug! Mann, da steckt man aber echt drin, in der Scheiße...

3 Kommentare:

  1. "Geplapper wird dadurch zum Gedicht, daß man es linksbündig, mit zweifachem Zeilenabstand und mit einem Zeilenumbruch nach jedem Halbsatz niederschreibt." Ganz meine Meinung!

    Und was das In-die-Scheiße-Lächeln angeht: Meiner Erfahrung nach nehmen Babys es normalerweise nicht übel, wenn man sich anmerken lässt, dass ihre Scheiße nicht nach Rosen riecht, sogar wenn sie vom niedlichsten Baby der Welt kommt. Sollte man den Zeitungsfritzen mal als Gedankenanstoß mitteilen...

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  2. http://www.aktienboard.com/forum/attachments/f14/a51763d1138921122-heucheln.jpg

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  3. @gnaddrig:
    Das wäre auch ein Gedankenanstoß für die Mutter...! :)

    @Stefan Rose:
    Danke für den link! Also, echt jetzt! ;)

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