Samstag, 27. August 2011

Die Zeit zum Verzweifeln

Hier mal ein kleines Ratespiel: Woher stammen die folgenden Sätze?
"Ihr Name ["Astroiden"] – astēr ("Stern") mit der Endung eides ("ähnlich") – umschreibt, dass sie wie Sterne erscheinen, weil sie so klein wirken."

"[Meteoroide] können auf unterschiedlichen Wegen entstehen: Entweder löst sie die Gravitation von Planeten aus einem Asteroidengürtel oder der Sonnenwind schlägt sie aus Kometenkernen heraus."

"Das Leuchten der Meteore entsteht durch die Aufladung der Luftteilchen, wenn der Meteoroid durch die Atmosphäre rast."
Na? Aus einem Aufsatz aus der 6. Klasse vielleicht? Nein. Auch nicht aus dem Spiegel Online, ich will ja den Eindruck vermeiden, mich nur auf ihn eingeschossen zu haben. Sie stammen aus einer Infobox aus der Zeit, Rubrik Wissen. Und bei solch absurden Feststellungen weiß ich ganz ehrlich nicht so recht, was die Autorin mir sagen wollte, und somit auch nicht, wo man mit der Kritik anfangen soll. Gut, mit den klein wie Sterne wirkenden Asteroiden meinte sie vielleicht, daß sie in Teleskopen (meist) punktförmig erscheinen, wie dies (meist) auch Sterne tun. Was das Entstehen von Meteoroiden, also sehr kleinen Asteroiden, durch Herauslösen aus Asteroidengürteln angeht, tappe ich völlig im Dunkeln. Ist ein kleiner Asteroid kein kleiner Asteroid, solange er in einem Asteroidengürtel ist? Und das Herausschlagen von Meteoroiden aus Kometenkernen durch Sonnenwind? Boah! Sonnenwind besteht hautsächlich aus einzelnen Elektronen und Protonen, also Elementarteilchen, sowie ein paar schwereren Ionen. Wie solch kleine Partikel Gesteinsbrocken herausschlagen sollten, bleibt in der Phantasie der Autorin verborgen. Und die Luftteilchen werden beim Meteor aufgeladen? Mit kosmischer Energie, oder was? Bestimmt war ja gemeint, daß Meteore leuchten, weil der mit sehr hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre eintretende Körper die Luft ionisiert. Bei der Rekombination der Ionen mit den freigewordenen Elektronen wird Licht ausgesandt.
Und damit nun zum ganzen idiotischen Artikel, in dem die Infobox eingebettet war.

Die Zeit berichtet von neuen Forschungsergebnissen bezüglich des Staubs, den die japanische Raumsonde Hayabusa 2010 vom Asteroiden Itokawa zur Erde gebracht hat. Itokawa "ist ein Asteroid in fast 290 Milliionen Kilometern Entfernung zur Erde", behauptet die Zeit. Und das ist völliger Blödsinn - haben doch die Körper des Sonnensystems (Erde, Planeten, Asteroiden und was nicht noch alles) die Eigenschaft, sich ständig um die Sonne zu bewegen. Ihre Abstände untereinander ändern sich dabei notwendigerweise ständig. Und für Itokawa heißt das, das er manchmal ziemlich nahe an der Erde sein kann, z.B. gerade einmal 1,9 Mio. km im Juni 2004. Manchmal ist er auch ziemlich weit weg, z.B. 378 Mio. km im Mai 2005. Und z.Z. ist er gerade 341 Mio. km weit weg. Das alles macht es aber natürlich wahnsinnig schwierig, seinen Lesern in einer einfachen Zahl zu sagen, wie weit weg der Asteroid eigentlich ist...
Und was passierte nun mit den auf der Erde angekommenen Staubteilchen von Itokawa? "Im Labor scannten, mikroskopierten und analysierten die Astronomen nun fast ein Jahr lang die geborgenen Partikel", meint die Zeit. Und man mag es anzweifeln, ist das "scannen, mikroskopieren und analysieren" von Gesteinskrümeln doch so sehr Aufgabe von Astronomen wie Binddarmoperationen. Aber Mineralogen, Petrographen oder Geochemiker, die werden das wohl getan haben. Und die Ergebnisse sind spektakulär: "Itokawa enthält – wie die Meteoritengruppe der gewöhnlichen Chondriten auch – eingeschlossene Silikate." Ein absoluter Hammer! Gerade wenn man bedenkt, daß die sehr breite Palette an Silikaten das mit weitem Abstand häufigste gesteinsbildende Material bietet! Nicht nur die Meteoritengruppe der gewöhnlichen Chondriten, nein, auch fast alle anderen Meteoriten, und ebenso fast die ganze Erdkruste und Erdmantel bestehen aus Silikaten. Und bei anderen Gesteinsplaneten sieht's nicht anders aus. Wenn man jetzt nicht gerade erwartet hat, daß Itokawa ein fliegendes Korallenriff ist, dann sollte einen dieses Ergebnis nicht sonderlich überraschen. Interessant ist eher, welche Silikate es sind (und worin sie denn "eingeschlossen" sein sollen?). Aber das ist wohl auch alles ein bisschen viel. Warum nun machen sich die Wissenschaftler eigentlich die Mühe, solchen Asteroidenstaub zu untersuchen?
"Astronomen untersuchen die Himmelskörper, um herauszufinden, woraus unsere Erde entstanden ist. Dafür müssen sie im Weltraum nach Antworten suchen. Denn in die aufschlussreichen Tiefen der Erde gelangt man erst gar nicht: Die tiefste Bohrung reicht nur 12 Kilometer in das Erdinnere, was weniger als einem Fünfhundertstel des Erdradius entspricht."
Aha. Nix mit "aufschlussreichen Tiefen". Und gleich im nächsten Satz schreibt die Zeit selbst, daß das Unsinn ist. Denn egal ob Erdoberfläche, Kruste oder noch tiefer, das Problem ist immer die massive Veränderung, die die Erde in ihrer Geschichte durchgemacht hat. Nichts, nirgends, ist an der Erde noch so wie zur Zeit ihrer Entstehung. Bei kleineren Asteroiden ist das mitunter anders. Und da sie sich in ähnlichen Gegenden wie damals auch die Erde gebildet haben, lohnt es sich, sie mal genauer anzusehen. Aber vermutlich wurde die Zeit-Autorin einfach von dem tiefen inneren Bedürfnis getrieben, auch mal was von Bohrungen in die Erde zu schreiben?
Lassen wir's nun gut sein und blicken lieber zum Schluß noch in die Zukunft: "Die Nasa will 2016 die Raumsonde Osiris-Rex zum Asteroiden 1999 RQ36 schicken, der zu den kohlenstoffhaltigen Asteroiden zählt." Tja, dieser Asteroid ist im Englischen ein "C-type asteroid". Und das "C" steht tatsächlich für "carbonaceous". Und ja, das Wörterbuch bietet als eine Übersetzungsmöglichkeit "kohlenstoffhaltig" an. Aber man übersetzt es trotzdem nicht mit "kohlenstoffhaltig". Wenn überhaupt, dann müßte man es mit "kohliger Asteroid" übersetzen, denn der Meteoritentyp "carbonaceoous chondrite" heißt im Deutschen "Kohliger Chondrit". Eigentlich aber sollte man einfach bei "C-Asteroid" bleiben. Klingt zwar nicht so lässig professionell wie "kohlenstoffhaltiger Asteroid", ist dafür aber richtig. Und es vermeidet die irrige Annahme, diese Astroiden würden sich irgendwie durch ihren Kohlenstoffgehalt auszeichnen.

Ach ja, in der Infobox stand auch: "In einer sternklaren Nacht kann das menschliche Auge rund 5.500 Sterne erkennen." Stimmt auch nicht. Am ganzen Himmel gibt es etwa 5.500 Sterne, die man unter optimalen Bedingungen (finsterste Nacht) mit bloßem Auge erkennen könnte. In einer einzelnen Nacht kann man aber natürlich nur die Hälfte des ganzen Himmels auf einmal sehen, und somit können höchstens 2750 sichtbare Sterne am Himmel stehen. Wenn man alle Sterne zählt, die während einer ganzen Nacht gesehen werden können, dann kann die Zahl noch größer werden, da während der Nacht neue Sterne aufgehen können. Da aber ein Teil des Himmels um die Sonne im Tageslicht liegt, kann man nie alle 5.500 Sterne in nur einer Nacht sehen.

Aber ich wollte ja aufhören. Es stimmt schon, man sollte nicht immer auf dem Spiegel herumhacken. Andere sind auch nicht besser.


Nachtrag 28.8.:
Ich habe den letzten Absatz über die Anzahl der Sterne verbessert, dort ging die Zeit- und Ortsabhängigkeit der Anzahl sichtbarer Sterne durcheinander...

Dienstag, 23. August 2011

Higgs mit Schluckauf

Das notorische Higgs-Boson, seine Fans in den Wissenschaftsredaktionen nennen es auch gerne das "Gottesteilchen", ist eine wahrhaft mysteriöse Erscheinung. Wird dieses hypothetische Elementarteilchen doch immer wieder fast entdeckt.

Einschub (8. März 2012): Da die Jagd auf das Higgs-Boson bei Spiegel Online einfach nicht aufhören will, bietet DWüdW an dieser Stelle den aktuellen SpOn-Higgs-Index! Mit einem Blick bleibt man auf dem Laufenden, wie weit die Entdeckung des "Gottesteilchens" beim CERN noch entfernt ist:


(Einschub Ende)


So wußte Spiegel Online schon am 12. September 2000, daß die Forschung gaaaanz nah dran ist am Durchbruch:



Aber schon im November 2000 wurde die Suche dann aufgegeben.



Ja, die europäischen Forscher hatten die Jagd schon an die Amerikaner verloren!


Aber so eine richtige Jagd ist natürlich noch längst nicht zu Ende! Schon im Juni 2004 war Spiegel Online klar: Das Higgs-Boson ist offenbar schwerer als erwartet:




Da ist es verständlich, daß im April 2008 die Entdeckung wieder ganz nah war!




Und schon im September 2008 ging die Jagd wieder los!
(Zwischen 2000 und 2008 wurde am Forschungszentrum CERN der alte Teilchenbeschleuniger LEP durch den neueren LHC ersetzt)




Und schon im Juli 2010 zeigte es "erste Konturen" - nur ist das Higgs-Boson wohl leichter als erwartet:


Und so steht man schon im Juli 2011 aber wirklich mal gaaanz dicht vor dem Zieleinlauf!


Und dann heute? War wohl doch nix...


Wow, spannender geht es ja kaum! Ich bin schon ganz atemlos, so nah bin ich dank Spiegel dabei. Und ich freue mich schon darauf, 2063 im Altersheim zu lesen: Forscher sind jetzt aber wirklich sowas von unglaublich dicht vor der Entdeckung des Higgs-Bosons! Schließlich sollte man sich als alter Mann freuen, wenn man nochmal was in der Zeitung liest, das man noch aus seiner Jugend her kennt!

Nachtrag 13. Dezember 2011:

Hurra! Die Jagd geht weiter!




...und weiter...


Endlich wieder Neuigkeiten!


Am 4. Juli sind wir dann wirklich so gut wie sicher da!
 
 

Samstag, 20. August 2011

Best of Matussek

Es ist passiert! Nach Scorpions-Auftritten, Mauerfall und dem Ende von Linkspartei-Anzeigen in der Jungen Welt muß der verbliebene Kommunismus eine weitere, vielleicht seine letzte große Niederlage einstecken. Kim Jong-il wird weinen, denn die letzte, scheinbar unerschütterliche Bastion unter den kommunistischen Künsten ist von westlichen Imperialisten gestürmt worden: Die größte je gedichtete Verklärung eines schrumpligen Alleinherrschers richtet sich nunmehr nicht mehr an ihn, sondern an den Papst! Und wir Deutschen verdanken es niemand anderem als dem größten aller Papst-Groupies, Matthias "Weihrauchnase" Matussek, das sich die schleimigste, arschkriecherischste und rückgradloseste aller je in Deutschland publizierten Lobhudeleien nicht mehr an Blondis Herrchen richtet - sondern an seine Hochheiligkeit, dem Experten für Liebe und Wahrheit, dem Bewahrer der göttlichen Offenbarung und amtlichen Oberhaupt des homophobsten Schwulenvereins der Welt, Papst Benedikt dem Sechzehnten!
Matussek muß auf der letzten Spiegel-Betriebsfeier eine Menge kompromittierender Fotos geschossen haben, anders läßt es sich nicht erklären, daß Spiegel Online ihm erlaubt, sein sinn- und verstandfreies, sich nicht einmal um des Anstands willen mit einem Feigenblatt aus Seriosität bedeckendes Geseire zu verbreiten.
Und für alle, die schon beim Gedanken daran, gleich mehrere Spiegel Online-Artikel lesen zu müssen ([1], [2], [3],[4]) von Übelkeit befallen werden, gibt es hier die besten Sätze aus Matusseks Schleimspur direkt in den heiligen Stuhl von Gottes Stellvertreter hinein - und zwar im exklusiven Holy-Shit-Remix!
Zum auf der Netzhaut zergehen lassen:

"Man hat es diesem Tag nicht angesehen, morgens, dass er im Freudentaumel enden sollte. Plötzlich wird der Vorhang zur ersten Klasse beiseite geschoben, und da steht, klein und weiß und lächelnd, Benedetto. Er trägt ein Kreuz, seine Gesichtsfarbe ist gesund, seine Augen lachen. Ich hab mal der Queen die Hand gegeben. Aber der Papst! Das überstrahlt alles. Glänzende Augen, Lachen, durchaus Gesichter mit Spuren der Verzückung. Wie schön und geschichtsstolz der Katholizismus hier auftrumpft. Der Andrang ist gewaltig. Die Straßen sind gesäumt von Begeisterten, Männer und Frauen und Kinder, sie lieben ihren Papst hier, sie alle halten Benedetto-Fahnen in die Höhe. Er ist kein Pop-Papst. Er denkt. Der Papst beantwortet meine Fragen, ohne dass ich sie gestellt hätte. Er zitiert Platon. Genau so sieht sie wohl aus, die Avantgarde einer neuen Aufklärung. Unermüdlich in Madrids Hitze, bewundernswert gut in Form in seinem Papamobil. Zum Abschluss singt er mit ihnen das "Vater unser", immer noch stimmsicher, und erteilt ihnen den Segen. Immer wieder Beifall. Der Papst trifft den Ton. Seine Augen lachen. Und dann singen die Knaben wieder, und das fromme Brausen setzt wieder ein. Klöster wurden zur Wiege der Wissenschaften. Einst die Zentrale der berüchtigten Inquisition, heute Wissensort und Austausch freier Diskurse. So anstrengungslos und einfach und in atemlose Stille hinein entwickelt Professor Papst zwischen Altären seine Vision der Wissenschaften und des Glaubens und ihrer harmonischen gegenseitigen Durchdringung. Was folgt, sind geschliffen formulierte Kurzessays, ein Seminar über die Freiheit und die Wahrheit. Die Wahrheit des Glaubens braucht keinen Zwang. Der Papst, der Aufklärer, ist einer, der ihrer Kraft vertraut.
Seine Augen lachen.
Glänzende Augen, Lachen.
Gesichter mit Spuren der Verzückung.
So viel Freude, so viel Innigkeit in strahlendem Sonnenlicht.
Wo dem Kirchenoberhaupt jubelnde Nonnen und bunte Wissenschaftler huldigen.

Klingt verrückt, oder?"

Ja.
Und jetzt nicht mehr traurig sein, Kim Jong-il! Zwar hat der Papst die hübscheren Hütchen und die größeren Arschkriecher. Aber mit Sonnenbrille und in Bomberjacke machst immer noch Du die bessere Figur!



Nachtrag 19:30:
Ich hab' noch ein bisschen aus Matusseks 4. Teil hinzugefügt. Aber langsam wird's wirklich schwierig, diese stinkende Brühe aus Verzückung und Geschichtsklitterung noch mit Humor zu nehmen...

Nachtrag 21.8.:
Inzwischen gibt es den 5. Teil. Allerdings läßt Matussek nach - es gibt nur noch den Papst als geliebter Opa. Keine Geschichtsumdeutungen wie "Klöster als Wiege der Wissenschaft" oder dem Spanischen Bürgerkrieg als "rote Terrorjahre" mehr...

Donnerstag, 18. August 2011

Entenlebern pro Universum

Diese Welt hält schon so manche Absurdität für ihre Bewohner bereit. Beispielsweise dürfen uns Firmen ganz legal mit Unmengen von "Produktinformationen" belästigen, in denen sie jeden noch so großen Schwachsinn verbreiten können. Angefangen von pseudowissenschaftlich seriös ("Dieser Joghurt stärkt ihre Abwehrkräfte!") über Gaga (Dank ihrer Binde kann die hübsche junge Frau während ihrer Tage im weißen Höschen Fallschirm springen!) bis hin zu frei fantasiert (Ein Tropfen Spülmittel, und Schmutzkrusten explodieren und verschwinden in ein Paralleluniversum, wo sie vermutlich die sprechenden Plaque-Bakterien aus der Nachbarreklame treffen!) ist alles dabei. Und dieser Gedankenmüll wird uns überall hinterher geworfen, im Fernsehen, im Radio, in der Zeitung, selbst beim Warten auf den Bus auf ist das Kaufvieh vor schreierischen Plakaten nicht sicher.

Wenn dann andererseits ein Blogger im vergleichsweise Kleinen über eine Firma und ihrer Produkte ganz sachlich und vernünftig schreibt und zu dem Schluß kommt, daß es sich bei den Produkten um puren Unsinn handelt, dann kann er wegen "unwahrer" und geschäftsschädigender Äußerungen verklagt werden. So geschieht es gerade mit einem italienischen Blogger, der Homöopathie im Allgemeinen und das homöopathische Produkt Oscillococcinum C200 der Firma Boiron im Speziellen kritisierte. Er hielt es beispielsweise für angebracht, seine Leser darauf aufmerksam zu machen, daß dieses "Medikament" gegen Grippe laut Produktinformationen hergestellt wird, in dem man Entenleber verdünnt. Und zwar soweit verdünnt, daß auf jedes Entenleberatom 100 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 Universen (!) kommen müssten*. Unmöglich? Betrug am Kunden? Offensichtlich. Unwahr ist diese Feststellung jedenfalls nicht. Geschäftsschädigend ist sie bestimmt (hoffentlich!), und zwar völlig zu recht. Und EsoWatch hat ganz recht: Dieser nun von Boiron verklagte Blogger verdient jede Unterstützung, die er kriegen kann. Denn letztlich geht es hier nicht nur um ein Blog oder auch nur um das persönliche Verhältnis zur Homöopathie, sondern ganz allgemein um das Verhältnis zur Wahrheit, das wir pflegen wollen: Sollen Firmen den potentiellen Kunden jeden Unsinn erzählen dürfen, der potentielle Kunde aber im Interesse des Geschäfts keine, nicht einmal sachliche und faktenbasierte Kritik äußern können? Wenn schon nicht kaufen, dann zumindest Klappe halten? Na dann, gute Nacht!


Nachtrag 21.8.:
Den italienischen Originalartikel gibt es inzwischen auch in einer deutschen Übersetzung.


* "C200" bedeutet auf 1 : 100^200 verdünnt, das ist 1 : 10^400. Bei ca. 10^77 Atomen im Universum (auf ein paar Größenordungen mehr oder weniger kommt es bei diesen Dimensionen auch nicht mehr an) benötigte man 10^323 Universen, um auf 1 Atom Entenleber 10^400 sonstige Atome bringen zu können.

Mittwoch, 17. August 2011

Da bleibt die Luft weg

Es gibt so manche Dinge, die mögen Journalisten einfach nicht. Chemie gehört auf jeden Fall dazu, und wenn in einer Geschichte eine Chemikalie eine Rolle spielt, dann kann der Leser immer wieder schöne neue "Entdeckungen" erwarten. Richtig toll wird es aber erst, wenn der Journalist keine Ahnung von Chemie hat, er eine Quelle aus einer anderen Sprache übersetzten muß, und die Übersetzung dann auch noch gekürzt wird! Dann bekommt man so schöne Artikel geliefert wie heute vom Spiegel Online. Denn in einem Beitrag zu einem mutmaßlich geplanten Attentat auf Papstkritiker beim Weltjugendtag in Madrid weiß der Spiegel:
"Ein aus Mexiko stammender Chemiestudent habe den Anschlag mit Stickgas und anderen Chemikalien verüben wollen."
Ein Anschlag mit Stickgas, das ist bestimmt wahrsinnig gefährlich! Klingt zumindest schon so. Bloß, WTF is "Stickgas" eigentlich? In der Oeconomischen Encyklopädie von 1773 ist "Stickgas" noch ein Synonym für "Stickstoff"... Aber heute? Im Artikel der spanischen El País, auf den der Spiegel als Quelle verweist, heißt es da noch "gases asfixiantes" - "erstickende Gase". Das ist wohl auch nicht sehr glücklich gewählt, wird doch im Text das Gift Sarin erwähnt, und das ist ein Nervengift und kein erstickendes Gas. Doch immerhin haben die Spanier keine neue Chemikalie "Stickgas" erfunden. Überhaupt sind sie ein bisschen genauer:
"Der Mann hat laut "El País" im Internet auch erklärt, dass er Schwefelsäure und andere explosive Substanzen herstellen könne."
Nun ist Schwefelsäure in etwa so explosiv wie frisch geschnittener Schnittlauch. Laut El País hat der Mann allerdings tatsächlich erklärt, daß er "Schwefelsäure und andere ätzende oder explosive Substanzen" ("ácido sulfúrico y otras sustancias corrosivas o explosivas") herstellen könne. Und wenn man einfach mal nicht die zwei Worte "ätzende oder" aus dem Satz streicht, dann klingt er gleich viel sinnvoller!

Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, daß der Spiegel sich endlich klarer ausdrückt und "Stickgas" gleich durch "Stickstoff" ersetzt!


PS: Das "Stickgas" gibt es jetzt auch bei der Süddeutschen und der Zeit...

Freitag, 12. August 2011

Das Wissen der Besten!

Der Harvard Business Manager meint uns heute mal von großen Zufallsentdeckungen der Menschheit berichten zu müssen - "ohne die unsere Welt heute weniger bunt, gesund und annehmlich wäre". Und das erste Beispiel? Zellulosenitrat! Und diese Zufallsentdeckung ist wichtig, denn Zellulosenitrat wurde "später auch als Komponente für Raketentreibstoff genutzt." Stimmt! Und zwar hauptsächlich in mit Katjuscha-Raketenwerfen abgefeuerten Boden-Boden-Raketen. Außerdem revolutionierte es im raucharmen Schießpulver das Schlachtfeld. Bunt, gesund und annehmlich, lieber Harvard Business Manager!


PS: Tatsächlich hätte man auch Verwendungen von Nitrozellulose jenseits von Raketentreibstoff finden können, die unsere Welt wirklich bunter und annehmlicher gemacht haben: das Zelluloid etwa.

Feuchtgebete

Nach dreieinhalb Jahren des Wartens ist es endlich soweit: Charlotte Roche veröffentlicht ihr zweites Werk! Schrieb sie in ihrem Erstling noch über ekligen Sex eines jungen Mädchens, so ist sie inzwischen "erwachsen geworden" (Die Zeit) und schreibt über ekligen Sex einer verheirateten Frau. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis endlich auch der dritte Teil dieses groß angelegten Romanzyklus des 21. Jahrhunderts herauskommt und uns von ekligem Sex im Altersheim berichtet (Seine Windeln machen mich geil. Ich genieße es, meine Nase darin zu vergraben und sein verschrumpeltes, riechendes Würstchen in den Mund zu nehmen...)
Wenn der dritte Teil aber mit einer Startauflage von einer halben Milliarde Exemplaren erscheinen wird, werde auch ich mir einen Teil vom großen Reibach abzweigen! Deshalb lasse ich mir schon mal vorsorglich, nach Feuchtgebiete und Schoßgebete, die Rechte an folgenden potentiellen Titeln für Roches dritten Roman sichern:

"Empfangsgeräte"
"Bohrgestänge"
"Sportgetriebe"

Und um auf Nummer sicher zu gehen, reserviere ich auch gleich noch

"Tofu-Würstchen"
"Schneckenschleim"
und
"Geänderte Verkehrsführung"

Mal sehen, ob ich nicht auch mit Literatur Geld verdienen kann!

Mittwoch, 10. August 2011

Eine Frage des Speicherplatzes

Es gibt so gewisse Sätze, deren dramatischen Klang kennt man aus Filmen, sie selbst zu hören hätte man aber niemals erwartet. Der Satz "Das Haus ist umstellt, kommen sie mit erhobenen Händen heraus!" ist etwa so ein Satz, oder auch bei Taxifahrern "Folgen sie diesem Wagen!". Nicht ganz so dramatisch, aber trotzdem in diese Richtung geht es, wenn man auf der Arbeit das Telefon abnimmt und von einer wohlbekannten weiblichen Stimme sehr ernst mit dem Satz begrüßt wird: "Setz' dich erst mal hin!" Sofort setzt ein gewisses Gefühl der Derealisation ein, und Gedanken wie: Haben wir im Lotto gespielt? Habe ich eigentlich, als ich heute Morgen ging, in der Küche das Gas abgedreht? Auf das richtige Problem komme ich aber irgendwie doch nicht:
"Ich komm' gerade vom Ultraschall. Es sind zwei!"
Das mit dem Derealisationserleben wird dadurch nicht unbedingt besser. Und bei einer 47-qm-Wohnung im 4. Stock eines Altbaus mit einer Treppenhausbreite von 60cm war schon der Gedanke an ein Kind ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Und nun zwei?
Inzwischen habe ich mich dann aber wieder beruhigt. Schließlich hält der Onlinehandel auch für dieses Problem eine einfache, platzsparende und kostengünstige Lösung bereit:


Von mir aus kann's dann losgehen!

Montag, 8. August 2011

D.W.Ü.D.W. - Das schwarze Fanal


von Thomas Steinschneider

Alles geht den Bach runter. Vielleicht muß man an dieser Stelle doch noch mal auf die Herkunft von Jan Fleischhauer zu sprechen kommen. Wir erinnern uns, das ist dieser immer etwas sauertöpfisch dreinblickende Mann mit der intellektuellen randlosen Brille. Fleischhauer ist Europäer. Das spricht nicht gegen ihn, neinneinnein! Europa hat eine lange, stolze Tradition im Weltkriegemachen, Kolonialisieren und herrlich deprimierender Literatur (Sartre! Kierkegaard! Charlotte Roche!). Wer noch nicht da war, der sollte mal hinfahren, das Rückflugticket aber auf keinen Fall vergessen, sonst kommt er gar nicht erst rein.

Europa zählt zu den Zwergkontinenten an der Peripherie der eurasischen Landmasse und hat in der jüngeren Vergangenheit voll abgekackt. Im Regen in der Mitte des Kontinents wohnen die fleißigen Deutschen und arbeiten. Also, zumindest die Westdeutschen arbeiten, die Ossis haben sich ihre Bananen auch nur vom Soli bezahlen lassen. Aber nehmen wir die aus der Zone auch mal mit. Sogar die Franzosen holen wir mal ins Boot, dabei sitzen die auch nur den ganzen Tag in der Brasserie rum und saufen Rotwein. Wo war ich? Ja, die da im Regen arbeiten, und verdienen sich ihren Urlaub im sonnigen Süden wahrlich hart genug. Und die Gastgeber im sonnigen Süden, die wiederum hängen rum und verprassen das Bußgeld, daß der hart arbeitende deutschfranzösiche Urlauber fürs Wildpinkeln abdrücken muß. Ja, in manchen Orten wird vom deutschen Urlauber gar verlangt, seinen Oberkörper zu bedecken, um im Restaurant bedient zu werden! Selbst ein Fleischhauer musste schon mal fürs Wildpinkeln Strafe zahlen. Da meinen manche, er sollte sich mal ganz klein machen, wenn derzeit in Europa darüber nachgedacht wird, wie man den Nordländern mal ordentliche Manieren beibringen kann.
Aber so bescheiden kann man das als Spiegel-Kolumnist natürlich nicht sehen. Denn das auf-den-Strand-pissen gehört aus Berliner Sicht zu den Dingen, die einen Urlaub in Südeuropa erst so richtig schön machen. Notfalls säuft man einfach noch ein bisschen mehr Sangría.

Für die Kommunisten, 68er und Kulturmarxisten liegt das Heil jetzt in einer Art Super-Überwachungsstaat, der die Differenzen, die sich aus dem pissen und bepisst werden ergeben, weitgehend einebnet. Viel ist vom friedlichen Miteinander in Europa die Rede, den Verpflichtungen, seinen schwabbeligen, verbrannten Bierbauch zu bedecken und nicht auf die Strandpromenade zu kotzen. Das alleine sollte einen skeptisch machen. Wenn die unterschiedliche Leistungskraft von Kolumnisten in den einzelnen europäischen Staaten sich nicht mehr im Recht auf hemmungsloses Saufen, Grölen und Pissen in den europäischen Urlaubsregionen auszahlt, dann läuft etwas schief. Sehr schief. Tatsächlich besteht zwischen Urinierverboten, Bekleidungszwang und Enteignungswille ein enger Zusammenhang, wie man aus der Vergangenheit weiß. Oder zumindest doch aus der Zukunft lernen wird.

Der Autor...
... leistet extrem viel, und sein Urin riecht nach Veilchen. Deshalb kann er mit gutem Gewissen sowohl auf die faulen Südlander schimpfen, als auch auf deren Strände pinkeln. In vielen Jahren als Wirtschaftskorrespondent im Urlaub hatte er dazu auch viel Gelegenheit. Seit 2005, pünktlich zum langen Abschied von der Loveparade, wieder in Berlin, pinkelt er auch ganz gerne mal in den Tiergarten.

Samstag, 6. August 2011

Mit BILD das All erobern

Die Bild ist offenbar mächtig stolz auf ihre "Bild-Rakete" - immer wieder berichtet sie vom geplanten Start einer Ariane 5-Rakete, die zwei Fernseh- und Telekommunikationssatelliten ins All befördern soll. Welchen Beitrag die Bild dabei genau leistet, wurde mir leider nicht ganz klar. Sie wird einfach als "Medienpartner" des Betreibers einer der beiden Satelliten, SES Astra, genannt. Also geht es wohl einfach nur um Werbung, und der zentrale Missionsbeitrag von Bild besteht in ihrem Logo, das auf einer über 2,5 Quadratmeter großen "Spezialfolie" an der Nutzlastverkleidung der Rakete pappt. Damit erklärt sich wohl auch, weshalb die Fracht dieser Rakete für Bild nur aus dem Satelliten von SES Astra, Astra 1N, zu bestehen scheint, und die zweite Nutzlast, der Satellit BSAT-3c/JCSAT-110R eines japanischen Betreibers, keinerlei Erwähnung in den Bild-Berichten über "ihre" Rakete findet.
Nun soll man ja niemanden den Stolz auf "seine" Rakete nehmen, und manch einer wird ja ganz froh sein, wenn die Bild endlich ins All geschossen wird. Aber wie gut Bild ihre "Bild-Rakete" kennt, ist schon beindruckend. Zwar hat sie sich schon in die Grundlagen der Raumfahrt eingearbeitet und etwa völlig korrekt festgestellt:
"Kein Treibstoff - kein Start!"
Damit hört es dann aber auch schon wieder auf mit der Sachkenntnis. Denn zum abgebrochenen ersten Startversuch der "Bild-Rakete" - oder sprechen wir hier lieber sachlich vom Ariane Flug VA-203 - am 1. Juli schreibt der "Medienpartner":
"Exakt 107 Sekunden vor dem Start hatte ein Ventil gemeldet, dass es nicht geöffnet ist – sofort stoppte ein Computer den Countdown! Denn durch das Ventil hätte flüssiger Wasserstoff als Treibstoff zum Haupttriebwerk strömen sollen."
Das liest sich nur im "Mission Update" des Betreibers der Ariane, Arianespace, etwas anders:
"The final countdown was stopped following an indication that a liquid hydrogen valve had not closed properly in the ground system network leading to Ariane 5’s core cryogenic stage."
Das Problem war also nicht, daß sich ein Ventil zum Triebwerk nicht geöffnet hat, sondern daß sich ein Ventil zum Tanksystem am Boden nicht geschlossen hat. Aber so genau nimmt das Bild eh' alles nicht:
"Unter der Satellitenkapsel mit dem Logo befindet sich die Hauptstufe der Rakete mit ihren Tanks"
Denn auch das stimmt nicht so ganz. Die "Bild-Rakete" ist eine Ariane 5-ECA. Bei einer solchen Rakete befindet sich zwischen der "Satellitenkapsel" und der Hauptstufe noch eine weitere Stufe, die Oberstufe ESC-A. Das kann man nicht nur dem Pressematerial von Arianespace oder EADS-Astrium zum Flug VA-203 entnehmen, sondern sogar der Infografik, die Bild ihrem eigenen Artikel beigefügt hat!
Bei soviel Sachverstand verwundert es auch nicht, daß die Bild auch den Grund für die heutige zweite Verschiebung des Starts nicht so recht verstanden hat:
"Es wurde starker Wind in großer Höhe gemessen, der den Kurs der Rakete beeinflussen könnte."
Zwar wurde der Start heute wegen zu starker Winde in 10 bis 20 km Höhe abgesagt. Dem Kurs der Rakete ist der Wind dort aber herzlich egal. Die Rakete ist in dieser Höhe bereits mehrere Tausend Stundenkilometer schnell, da kommt es auf etwas zusätzlichen Wind auch nicht an. Das Problem mit dem Wind liegt vielmehr im Katastrophenfall: Sollte die Ariane 5 beim Start in dieser Höhe explodieren, oder sollte sie außer Kontrolle geraten und gesprengt werden müssen, dann würden bei zu starkem Wind Trümmerteile aus der Sicherheitszone hinausgeweht werden können und eine Gefahr am Boden darstellen. Es handelt sich also um eine reine Vorsichtsmaßnahme (Die allerdings nötig ist: Beim Erstflug einer Ariane 5-ECA im Jahr 2002 geriet die Rakete außer Kontrolle und wurde tatsächlich gesprengt).
Glücklicherweise werden alle anderen Beteiligten der "Bild-Rakete" es wohl etwas genauer nehmen mit den Fakten. Ansonsten könnte man die beiden Satelliten wohl gleich abschreiben. Und es ist der Bild zu danken, daß sie sich auf das Bedrucken bunter Folien beschränkt - darin liegt ja ihre Stärke, und nicht in Fakten und so 'nem Zeug!

Donnerstag, 4. August 2011

Das Märchen von den exzellenten Piraten

Es war einmal vor langer Zeit eine kleine Südseeinsel, auf der war ein Schatz vergraben. Und eines Tages kam ein Piratenschiff angesegelt, um diesen Schatz zu finden. Leider wußten weder die Piraten noch der Piratenkapitän, wo genau auf der Insel der Schatz denn vergraben war. Aber die Piraten waren guter Dinge und rüsteten sich mit Hacken aus und mit Schaufeln, und sie waren bereit, zur Not wochenlang die ganze Insel umzugraben, bis sie den Schatz gefunden hätten. Früher hätte ihr Kapitän sie so auf die Insel gehen lassen und sie hätten losgegraben, bis sie den Schatz gefunden hätten. Und wenn sie ihn gefunden hätten, dann hätte jeder ihn bewundert und jeder hätte in kleines Stückchen davon abbekommen und alle hätten sich gefreut.
Aber ihr neuer Piratenkapitän war sehr klug und er dachte bei sich: "Die meisten meiner Piraten graben Löcher und werden keinen Schatz finden. Also ist ihre Arbeit unnütz und wertlos, und nur die Arbeit derjenigen Piraten, die den Schatz finden werden, ist wertvoll. Und trotzdem soll ich allen Piraten aus dem Bordvorrat Rum und Schiffszwieback geben, damit sie kräftig zum graben sind? Viel besser wären die Vorräte doch eingesetzt, wenn ich den größeren Teil des Proviants den Piraten gebe, die den Schatz ausgraben werden! Dann sind die kräftiger und können den Schatz schneller ausgraben und ich verschwende nichts von den wichtigen Vorräten." Und weil der Piratenkapitän so klug war, gefiel ihm seine Idee sehr gut und er wollte seine Vorräte an die Piraten verteilen, die den Schatz finden würden. Da erst merkte er, daß er keine Ahnung hatte, welche unter all den Piraten auf dem Schiff den Schatz denn finden würden, und die anderen Piraten wussten es auch nicht. Aber weil er so klug war, hatte er eine weitere Idee. Er würde einen Wettbewerb machen, in dem alle Piraten, die mitgraben wollten, erklären müßten, warum sie die besten Schatzausgräber seinen und am nächsten Tag den Schatz finden würden. So würde er erfahren, welches die exzellenten Piraten waren, und denen würde er am nächsten Tag die meisten Vorräte zu essen und zu trinken mitgeben!
Die Piraten waren nicht so klug wie der Piratenkapitän und fanden die Idee nicht gut. Sie dachen bei sich, daß es dumm sei, ihre Zeit mit dem Schreiben von Erklärungen zu verbringen, anstatt gleich loszugehen und nach dem Schatz zu suchen. Aber sie sagten das nicht laut. Denn sie dachen, wenn sie dem Kapitän sagen würden, daß sie seine Idee dumm fänden, dann würde der nur sagen, daß sie Angst hätten, weil sie wüßten, daß sie nicht exzellent seien und den Wettbewerb verlieren würden. Und andere Piraten würden vielleicht sagen: "Genau, die sind nicht exzellent. Sollen sie nicht mitmachen, dann können wir den Rum und den Schiffszwieback nur unter uns aufteilen, und das ist nur besser für uns."
Also verbrachten die Piraten die Nacht und den nächsten Morgen damit, lange Anträge zu schreiben, in denen sie erklärten, warum gerade sie die besten Schatzgräber seinen und den Schatz finden würden. Und weil alle wußten, daß sie keine sicheren Gründe angeben können, weshalb gerade sie den Schatz ausgraben würden, dachten sie sich Erklärungen aus. Sie schrieben Dinge wie, daß gerade sie die besten Spaten zum graben hätten, oder daß sie ganz sicher seien, daß der Schatz vielleicht bei den drei Palmen vergraben läge.
Am nächsten Tag sammelte der Kapitän alle diese Anträge ein, und er zählte die Löcher, die jeder einzelne Pirat vorher schon woanders gegraben hatte, und so wußte der kluge Kapitän, welches die exzellenten Schatzgräber waren. Denen gab er viel Rum und Zwieback, und den anderen gab er nur wenig, und dann ließ er sie auf die Insel zum Schatzsuchen.
Die Piraten, die nur wenig Proviant hatten, waren sehr schwach und hatten nicht viel Kraft und dachten sich: "Wenn ich jetzt meine ganze Kraft benutze, um hier nur ein einziges tiefes Loch zu graben, dann finde ich den Schatz bestimmt nicht. Und wenn keiner den Schatz findet, dann müssen wir morgen wieder Anträge schreiben, und der Kapitän wird wieder die Löcher zählen, und dann habe ich nur ein Loch. Und dann bekomme ich morgen noch weniger Proviant oder ich darf gar nicht mehr mit zum Schatzsuchen." Also begannen die Schwachen, mehrere flache Löcher zu graben, da, wo der Sand ganz locker war, und sie konnten so keinen Schatz finden.
Die mit dem vielen Proviant dachten sich aber auch, daß der Tag schon bald vorbei wäre und sie in der verbleibenden Zeit nicht viele tiefe Löcher graben könnten. Und morgen hätten die anderen mit ihren flachen Löchern viel mehr Grabungen vorzuweisen als sie mit ihren wenigen tiefen Löchern. Dann würden sie am nächsten Tag weniger zu essen und zu trinken bekommen, und das wollten sie nicht. Also gruben auch die Piraten, die viel Proviant mitbekommen hatten, lieber mehrere flache Löcher. Und so ging der Tag vorbei, und keiner fand den Schatz, und am Abend kamen alle traurig auf das Schiff zurück.
Der kluge Piratenkapitän aber war sehr zufrieden mit sich. Denn er konnte nicht sehen, wie flach die Löcher waren. Und so dachte er bei sich, daß seine Piraten ja viel mehr Löcher gegraben hätten als sonst, und daß seine Methode gut funktionierte und er das Beste aus dem Proviant machen würde. Und so mußten die Piraten für den nächsten Tag wieder Anträge schreiben, warum sie die besten Schatzgräber seien. Und wieder schrieben sie lange und sie verwiesen auf all die Löcher der anderen, obwohl sie wußten, daß diese nur sehr flach waren, und erklärten, daß die anderen nichts gefunden hätten und der Schatz daher ganz bestimmt da sein müsse, wo sie selber suchten. Und wieder las der Kapitän die Anträge und zählte die Löcher und wußte so, welches die exzellenten Piraten unter seiner Mannschaft waren.
Und am nächsten Mittag kamen sie wieder mit dem verteilten Proviant auf die Insel, und an diesem Tag machten sie noch mehr noch flachere Mulden in den Sand, und wieder fand niemand den Schatz. Doch der kluge Kapitän war sehr zufrieden und er dachte, bei so vielen Löchern hätte er bald die besten Schatzgräber der Welt! So lag das Piratenschiff lange, lange vor der Insel, und die flachen Löcher wurden mehr und mehr, und niemand fand den Schatz. Und nach einer Weile dachten die Piraten auch nicht mehr an den Schatz, sondern nur noch daran, wie sie am nächsten Tag möglichst viel Rum und Schiffszwieback bekommen könnten. Nur noch manchmal in der Nacht, wenn sie eine Pause im Schreiben ihrer Anträge machten, da träumten sie noch davon, einen funkelnden Goldschatz zu finden...

Und viele, viele Jahre später, auf der anderen Seite der Erde, kamen Politiker auf dieselbe Idee und sagten: "Warum machen wir es in der Forschungspolitik nicht so wie der kluge Piratenkapitän?" Und so wurde die Exzellenzinitiative erfunden. Und bald ging es den Forschern in diesem Land genauso wie den Piraten in der Südsee. Die Hälfte ihrer Zeit verbrachten sie damit, Anträge zu schreiben, in denen sie erklärten, weshalb sie die besten unter den Forschern seinen. Und die restliche Zeit verbrachten sie damit, möglichst viele flache Publikationen zu schreiben, damit sie beim nächsten Antrag genug Material hätten, auf das sie verwiesen könnten. Nur vom Schatz, den zu finden sie einst ausgezogen waren, von dem träumten sie nur noch manchmal, nachts, nach dem Schreiben ihrer Anträge.


Nachtrag 7.10.2012:
Siehe diesen tollen Kommentar aus der Zeit, nach dem der Beschluss der Universität Hamburg, sich grundsätzlich nicht mehr an Umfragen zu beteiligen, die geeignet sind, deutsche und internationale Universitäten gegeneinander auszuspielen, "wohl vor allem ein Eingeständnis von Schwäche" ist.

Mittwoch, 3. August 2011

UFOs on the rocks

Das Niveau hier sinkt, die Posts konzentrieren sich zunehmend auf banales persönliches Blah-Blah. Höchste Zeit, daß dieses Blog sich wieder seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewußt wird und sich mit intelligenten Beiträgen zu drängenden Fragen unserer Zeit äußert!
Fragen wir uns also heute mal: Wieviele UFOs stürzen eigentlich so auf der Erde ab? Oder, um dem Anspruch von Anfang an gerecht zu werden, fragen wir besser: Wie groß ist die Absturzrate außerirdischer Flugkörper auf der Erde, ausgedrückt beispielsweise in Abstürze pro Jahr und Quadratkilometer? Sicherlich ist diese Zahl ziemlich klein, schließlich wurde bisher noch kein einziges abgestürztes UFO gefunden. Aber das muß uns ja nicht an der Beantwortung dieser Frage hindern! Alles was wir zur Beantwortung brauchen, ist eine sehr große Fläche, auf der dann abgestürzte UFOs auch nach sehr langer Zeit noch gefunden werden könnten. Der größte Teil der Erdoberfläche ist dazu denkbar ungeeignet: Im Meer versinkt das außerirdische Wrack auf Nimmerwiedersehen, im Urwald wird es sofort überwuchert und verrottet. Und große Wüstenflächen absuchen? Das würde sehr mühsam werden.
Aber wir können ja in die Antarktis gehen! Dort können wir uns ein aus der Suche nach Meteoriten gut bekanntes Phänomen zunutze machen: Die Meteoriten fallen aus dem All auf das Eis und werden dort von Schnee begraben. Langsam sinken sie tiefer und folgen dem langsamen Fluß des Eisschilds in tieferen Regionen, bis das Eis auf ein Hindernis wie etwa einen Berg stößt. Dort steigen die Meteoriten mit dem Eis auf, das Eis wird vom Wind abgetragen, und die Meteoriten liegen fast schon in Haufen einfach so vor Bergen auf dem Eis herum. Man muß nur ein kleines Gebiet absuchen und findet Hunderte von Meteoriten, die sich dort über lange, lange Zeit aus einem großen Gebiet angesammelt haben! Und wenn ein UFO abgestürzt ist, dann sollte es dem gleichen Mechanismus folgen, und seine Trümmer sollten sich mit den Meteoriten in bestimmten Gebieten ansammeln. In diesen Gebieten hat man schon seit Jahrzehnten viel gesucht, man hat aber bisher noch kein einziges Wrackteil eines UFOs zwischen den Meteoriten gefunden! Alles, was wir nun wissen müssen ist, über welche Zeit sich die Meteoriten angesammelt haben, und wie groß das Einzugsgebiet ist, aus dem durch das Fließen des Eises zusammengetragen wurden.
Das Alter der Ansammlungen kann dank der Meteoriten bestimmt werden. Man kennt die Zeit, die sie seit ihrem Fall auf der Erde verbracht haben, aus dem Zerfall radiaktiver Elemente. Außerdem kann man den Verwitterungsgrad der Steine untersuchen. Das Alter der Meteoritenansammlungen an verschiedenen Fundstellen ist unterschiedlich, aber ein mittleres Alter von 300 000 Jahren wäre durchaus realistisch. Schwieriger ist es mit der Größe der Einzugsgebiete. Die verändert sich mit der Zeit. Aber nehmen wir mal an, daß alle Fundstellen zusammen die Meteorite aus der Hälfte der Fläche der Antarktis zusammentragen. Dann wissen wir jetzt, daß in 300 000 Jahren auf einer Fläche von 6.6 Mio. Quadratkilometern kein einziges UFO abgestürzt ist!
Eine Absturzrate können wir daraus natürlich nicht bestimmen. Aber wir können zumindest eine obere Grenze für diese Rate bestimmen! Nehmen wir einfach eine strenge Mindestanforderung an und fragen uns: Wie groß kann die Absturzrate höchstens sein, damit die Wahrscheinlichkeit, in 300 000 Jahren auf 6.6 Mio. Quadratkilometern rein zufällig kein einziges UFO zu finden, kleiner als 5% ist?
Nehmen wir dazu an, die UFO-Absturzstatistik folge einer Poissonverteilung. Diese Annahme ist sicherlich ziemlich gut, die Abstürze sind offenbar seltene Ereignisse, sie mögen auch unabhängig voneinander sein und sich überall mit der gleichen Wahrscheinlichkeit ereignen. Dann bekommen wir den Mittelwert der Poissonverteilung lambda als
lambda = -1 * ln(0.05)
Diesen Wert müssen wir noch von den 300 000 Jahren Aufsammelzeit auf ein Jahr umrechnen, und von der Fläche von 6.6 Mio. Quadratkilometer auf einen Quadratkilometer. Tun wir das, dann bekommen wir eine Absturzrate, die mit 95%iger Wahrscheinlichkeit kleiner als 0.000 000 000 0015 Abstürze pro Jahr und pro Quadratkilometer Erdoberfläche ist. Oder anders ausgedrückt, auf der gesamten Erde stürzen mit 95%iger Wahrscheinlichkeit weniger als 0.00097 UFOs pro Jahr ab. Oder noch anders ausgedrückt, es stürzt weniger als ein UFO alle 1029 Jahre irgendwo auf der Erde ab.
Also, ich bin jetzt sehr froh, daß das mal geklärt ist! So froh, daß ich sogar noch einige Einwände diskutieren will, die der Leser jetzt vielleicht vorbringen möchte:

In der Antarktis gibt es doch gar nichts zu sehen. Da würde ein UFO doch gar nicht erst hinfliegen. Natürlich stürzt dort dann auch kein UFO ab!
Natürlich können wir annehmen, daß außerirdische Besucher nach ihrer interstellaren Reise sich erst mal ein gründliches Bild vom Planeten Erde machen wollen. Dazu werden sie ihr UFO auf eine polare Umlaufbahn um die Erde bringen müssen, denn nur auf einer solchen Umlaufbahn überfliegen die mit der Zeit jeden Punkt der Erdoberfläche. Auf einer solchen Umlaufbahn überfliegen sie die Polargebiete aber auch häufiger als jeden anderen Ort auf der Erde. Die Absturzwahrscheinlichkeit in der Antarktis sollte daher nicht geringer sein als irgendwo anders, sonder im Gegenteil eher größer!

In Roswell ist schon mal ein UFO abgestürzt, und das geht in die Betrachtungen gar nicht ein!
Selbst wenn in Roswell ein UFO abgestürzt sein sollte - man kann mit diesem Ereignis keine Statistik betreiben. Denn welche Fläche hatte die Menschheit denn überwacht, bis sie den Absturz bemerkt hatte, und wie lange? Da ist wohl alles unklar mit Roswell...

Kann es vielleicht sein, daß wir diesen idiotischen Text nicht nur der Langeweile verdanken, sondern auch der Tatsache, daß der Autor sich gestern Abend angetrunken John Carpenters The Thing reingezogen hat?
Ja, diese Erklärung liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Aber auch hier gibt es einen positiven Aspekt zu betonen: Beim nachfolgenden Film Invasion of the Body Snatchers war ich schon so betrunken, daß der Leser von Betrachtungen zur Epidemiologie fieser außeririscher Körperfresser verschont bleibt!

Dienstag, 2. August 2011

Kafka und Pfannkuchen

Wenn schon ein Kind unterwegs ist, dann bleibt einem ja kaum etwas anderes übrig, als eifrig nach den positiven Aspekten dieser Angelegenheit zu suchen. Und tatsächlich gibt es ja auch gute Seiten an Kindern in der Wohnung! Denn viel zu oft wird man mit Fragen konfrontiert wie etwa "Gestern Abend habe ich fünf Pfannkuchen in den Kühlschrank gestellt, und heute Morgen waren nur noch drei da. Hast Du eine Ahnung, wie das kommt?". Oder auch: "Wer hat denn im Bad wieder all die Wasserpfützen auf dem Boden gemacht?". In einem Zweipersonenhaushalt hat meine bisherige Verteidigungsstrategie - "Also, das ist mir jetzt auch ein völliges Rätsel!" - irgendwie nie so recht gegriffen. Mit einem Kind wird das alles viel einfacher: "Ich habe damit nichts zu tun, das muß das Kleine da gewesen sein!"
Natürlich wird diese Taktik, die ganze Kindheit hindurch angewendet, beim Kleinen eine gewisse Traumatisierung hervorrufen, die es dann später literarisch verarbeiten muß (bei seinem biografischen Hintergrund wird mein Kind im Leben nur als Schriftsteller, Musiker oder Alkoholiker eine Perspektive haben). Und wenn es dann, ganz auf Kafkas Spuren, irgendwann einen Brief an den Vater schreiben wird, dann werden darin Sätze stehen wie "Liebster Vater, Du hast immer die Pfannkuchen aus dem Kühlschrank gegessen und dann behauptet, ich sei es gewesen."
Ganz klar: So entsteht Weltliteratur!

Montag, 1. August 2011

Ihr Kinderlein kommet!

Kinder sind ja nun wirklich das Allerletzte! Zuerst machen sie nichts weiter als schreien, fressen und kacken. Später dann krabbeln sie mit schokoladenverschmierten Händen über das weiße Sofa und zerdeppern einem die Lieblingstasse. Wenn sie größer sind, hören sie schreckliche Musik viel zu laut, kotzen den Wohnzimmerteppich voll und fahren einem das Auto zu Schrott. Und kaum das man ihnen das endlose Studium fertig finanziert hat und sie ein Alter erreicht haben, in dem man ein sinnvolles Gespräch mit ihnen führen könnte, machen sie sich vom Acker und wollen nichts mehr mit einem zu tun haben. Super.
Weshalb ich jetzt darauf komme? Wenn man morgens in Bad kommt und man so etwas auf dem Badewannenrand vorfindet, dann können einem schon mal seltsame Gedanken kommen...