Donnerstag, 30. September 2010

Beim Barte Jesu

Die Wege des Herrn, liebe Leser, sind bekanntlich unergründlich. Das gilt natürlich auch für die Wege, die der Herr für einen Ketzer bereithält. Und so will es eine rätselhafte Fügung Gottes, daß sich dieses kleine aber feine Blog aus der päpstlichen Universität Heiliger Thomas von Aquin in Rom melden kann. Das ist ausgerechnet die Universität jener Dominikaner, die sich als Inquisitoren einst eine besondere Kompetenz in der Verfolgung von Ketzern erarbeitet haben. Da soll also noch mal einer sagen, dem Christentum seinen in den letzten Jahrhunderten nicht ordentlich die Zähne gezogen worden! Aber lassen wir das, schließlich haben wir an einem so heiligen Orte wahrhaft wichtigere Angelegenheiten zu besprechen. Beginnen müssen wir mit: Hatte Jesus einen Bart? Jetzt wird bestimmt der ein oder andere gottlose Leser denken: Kann schon sein, aber wen interessiert dieser Mist schon? Aber darin zeigt sich mal wieder nichts anderes als das Unverständnis und die spirituelle Blindheit der Atheistenbrut für religiöse Probleme und schwerwiegende theologische Erörterungen! Denn gerade an die Frage nach den Bärten knüpfen sich dramatische Probleme der Menschwerdung Gottes.
Die Bedeutung dieser Frage sehen wir schon am Beispiel des Adam. War er bei seiner Erschaffung und auch beim Griff nach dem Apfel noch gänzlich frei von Gesichtsbehaarung, so wird er nach dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies bärtig gezeigt. Hier zeigt sich schon, der Bart ist das Symbol häßlicher, sterblicher Menschlichkeit, in die Adam durch seine Unfolgsamkeit gegenüber Gott geworfen wurde. Und bei Jesus wird das mit der häßlichen Bärtigkeit dann zum Problem. Denn zum einen ist Gott ja vollkommen, und wenn Gott zum Menschen wird, dann sollte ja wohl auch der Menschensohn wunderschön sein, und folglich glatt im Gesicht. Andererseits aber hat Gott ja, als er zum Menschen wurde, die ganze Last des Menschseins auf sich genommen. Damit sollte der Menschensohn eher häßlich und bärtig sein. Und so findet man in der Kunst des frühen Christentums Jesus sowohl mit als auch ohne Bart. Nun hat sich ja inzwischen die Darstellung Jesu mit Bart durchgesetzt und man findet nur noch bärtige Jesuse an Kreuzen und Wänden. Und dafür gibt es auch gute Gründe. Zwar hält sich das Neue Testament sehr bedeckt was das Aussehen Jesu angeht, aber es gibt ja noch andere Quellen. In der einzigen ausgiebigen Beschreibung von Jesu Erscheinungsbild in einem Brief von Publius Lentulus an den römischen Senat trägt Jesus zwar einen Bart. Aber nicht mal die Katholen, sonst richtig gut darin, sinn- und grundlos jeden Mist zu glauben, den man ihnen vorsetzt, halten diesen Brief für echt.
Aber man kann ja noch auf das Alte Testament zurückgreifen: Vor seinen Augen wuchs er auf wie ein junger Spross, / wie ein Wurzeltrieb aus trockenem Boden. Er hatte keine schöne und edle Gestalt, / sodass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, / dass wir Gefallen fanden an ihm. (Jesaja, 53, 2). Außerdem ist da ja das Schweißtuch der Veronika, auf dem man auch einen bärtigen Jesus sieht. Also muß man annehmen, daß Jesus einen Bart trug.
Nur - wenn der Bart ein Ausdruck der Menschlichkeit mit all seinem Leid ist, dann ist Jesus wohl ohne Bart auferstanden! Und auch dafür gibt es klare Hinweise in der Bibel. Heißt es doch da, etwa über die Jünger auf dem Weg nach Emmaus:
Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet hatte. Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus hinzu und ging mit ihnen. Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, sodass sie ihn nicht erkannten. (Lukas, 24, 14-16). Oder auch bei der Erscheinung des Auferstandenen am See: Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. (Johannes, 21, 4). Wie nun hätten Jesu Fans, die Jahre lang mit ihm unterwegs waren, die mit ihm übers Wasser gelaufen sind und Wasser in Wein verwandelt haben, ihren Guru nach nur wenigen Tagen nicht mehr wiedererkennen können? Eben! Jesus ist ohne Bart auferstanden! Jetzt versteht sich auch dieser Punkt in der Bibel. Bleibt nur eine einige Frage: Wo sind Jesu Barthaare geblieben? Eine Reliquie, die an die Heilige Vorhaut Jesu heranreicht? Zunächst wohl mal in seinem Grab. Und hier komme ich dann ins Spiel. Tagelang lief ich ruhelos und getrieben durch Rom, kletterte in Gewölbe, suchte in alten Bibliotheken nach Hinweisen und wühlte im Staub unter frühchristlichen Kirchen. Man kennt sowas ja aus den einschlägigen Geschichten von Indiana Jones über Dan Brown bis Harry Mulisch. Und dann fand ich sie: Die Ampulle mit einem Barthaar Jesu! Und damit sind wir wieder bei den unergründlichen Wegen des Herrn. Warum sollte ich Ungläubiger, der das, was er hier schreibt, für völligen Schwachsinn hält, ein solch heiliges Objekt finden? Offensichtlich ist es nicht für mich bestimmt, sondern ich kann allenfalls das Werkzeug Gottes sein, um diese Reliquie in die Hände desjenigen Gläubigen zu geben, für den sie bestimmt ist. Deshalb biete ich sie hier an. Wenn Du, lieber Leser, der wahre Gläubige bist, dann erfülle Gottes Plan und führe Jesu Barthaar dahin zurück, wo es hingehört, in den Schoß der katholischen Kirche! Melde Dich bei mir! Bei der Übergabe der Ampulle wird dann natürlich ein kleiner Obolus fällig, aber sowas solltest Du als Katholik ja schon kennen. Und wenn Du den nicht aufbringen kannst, dann bist Du wohl nicht der richtige Empfänger des Relikts Jesu des Erlösers. Aber wenn Dein Konto gut gefüllt ist - e-mail genügt!

Freitag, 17. September 2010

Bücher verbrennen jetzt richtig fanatisch!

Für eine ganze Weile kam es einem ja vor, als sei die schöne Tradition des Bücherverbrennens in Vergessenheit geraten. Die Nazis schienen die Letzten, die die Versuche der Inquisition fortsetzten, die eigene geistige Umnachtung mit den Schein brennender Bücher zu erhellen. Seitdem griffen aufgebrachte Menschen zu Flaggen, Bildern und Puppen, wollten sie durch Verbrennungen ihrer Beschränktheit öffentlich Ausdruck verleihen. Doch jetzt erlebt das Verbrennen von Büchern seinen zweiten Frühling! Christen zündeln am Koran, Moslems zündeln an der Bibel. Die wahre Gefahr geht aber wieder mal nicht von den Gläubigen aus, sondern von den Atheisten. Die verbrennen gleich Bibel und Koran, und das nicht einmal aus fanatischem Eifer heraus, wie man es für eine respektable Bücherverbrennung erwartet, sondern aus schierem Unverständnis über die Aufregungen, die dieses Thema in letzter Zeit auslöst. Und da dieses Blog ja inzwischen auch auf brutale Provokation setzt, wird es höchste Zeit, noch schnell auf diesen Zug aufzuspringen! Dazu muß hier natürlich etwas verbrannt werden, das Bibel und Koran noch weit in den Schatten stellt. Aber wenn schon das Verbrennen dieser Bücher, vor Jahrtausenden von Sandmenschen im Nahen Osten zusammen fabuliert und der beste Beweis, daß diese Region schon seit jeher ein recht schattiges Plätzchen im gleißenden Licht der Vernunft war, die Weltpolitik auf den Plan ruft - wie groß wird dann erst der Aufschrei sein, wenn ich ein die wirkliche Wahrheit enthaltendes Buch verbrenne? Wenn ich eine ehrenwerte Schrift den Flammen ausliefere, die allen Menschen in allen Lebenslagen zuverlässige Stütze und Hilfe ist? Wenn ich also ein Wörterbuch verbrenne? Diesen Schock lasse ich erst noch ein paar Sekunden sacken. Ja, ich verbrenne ein Wörterbuch! Aus reinem Fanatismus!
Jetzt wird der Leser sicherlich ein Video als Beweis erwarten. Aber wenn ich an die Unruhen denke, die allein die Ankündigung einer Koranverbrennung ausgelöst hat, und an die Gefahr, in die man sich begibt, wenn man ein Video vom Ertränken von Welpen in Netz stellt (selbst wenn man den Welpen vor ihrem Ableben noch die wunderbare Erfahrung von einigen Sekunden Schwerelosigkeit gönnt), dann schrecke ich doch davor zurück, einen Videobeweis einer so ungeheuerlichen Verbrennung wie der meinen zu veröffentlichen. Ein Foto wird schon völlig reichen, die Emotionen ordentlich aufzustacheln:Und jetzt, liebe Leser, lasst eurer Entrüstung und euren Emotionen freien Lauf! Gerne könnt ihr mein Profilfoto ausdrucken und verbrennen, um es mir angemessen heimzuzahlen! Und allen Staatenlenkern sei gesagt: Nein, ich werde mich von meinen provokanten Plänen niemals abbringen lassen! Ich nicht!

Montag, 13. September 2010

An Gott glauben und nicht Briefmarken sammeln

Ein beliebter Vorwurf der Gläubischen an die Gottlosen ist, daß Atheismus auch nur eine andere Art von Glauben sei. Und dieser Vorwurf ist so falsch leider auch wieder nicht. Die beliebteste und scheinbar sofort einleuchtende Erwiderung der Atheisten ist dann der Vergleich "Atheismus ist genauso ein Glaube, wie nicht-Briefmarkensammeln ein Hobby ist". Dabei wird aber ein kleiner Unterschied außer Acht gelassen. In der Tat ist nicht zu glauben, daß Gott existiert, genauso wenig ein Glaube wie nicht-Briefmarkensammeln ein Hobby ist. Aber zu glauben, daß Gott nicht existiert, ist sehr wohl ein Glaube. Und er ist gar nicht mit dem nicht-Briefmarkensammeln zu vergleichen, sondern eher mit der ungewöhnlichen Neigung, Briefmarken zu vernichten. Und das wäre ja wohl schon so eine Art Hobby. Nun mag so manch ein Atheist vorschnell einwenden, daß nicht zu glauben, daß Gott existiere, und zu glauben, daß Gott nicht existiere, dasselbe und gar logisch gleichwertig seien. Ist es aber nicht. Bisher habe ich dies nur salopp behauptet, aber es lohnt sich vieleicht, sich dieser Angelegenheit mal systematisch zu widmen. Dazu muß ich ein bisschen ausholen, dies wird also wieder einer jener langatmigen theoretischen Texte... Aber dennoch:

Beginnen wir mal mit dem einfacheren Satz Gott existiert bzw. Gott existiert nicht, um die Grundgegriffe klar zu machen. Dabei lernt man zwar noch nicht viel Neues, aber die Umstände helfen nachher, den etwas kompizierteren Satz Ich glaube, daß Gott existiert in all seien Varianten zu analysieren.

Den Satz Gott existiert kann man, wie (fast) alle Sätze, zerlegen in das, was man den "propositionalen Gehalt" und das "bejahende Moment" nennt. Der propositionale Gehalt ist schlicht "daß Gott existiert". Dies ist quasi die Aussage des Satzes. Das bejahende Moment ist schlicht die Behautung, daß der propositionale Gehalt der Fall ist. Also, knapp gesagt, wird der Satz Gott existiert zum formalen Satz Es ist der Fall, daß Gott existiert. Wenn man Sätze auf diese Weise formal in ein bejahendes Moment und einen propositionalen Gehalt zerlegt, dann fallen einem kleine aber entscheidende Unterschiede auf. Der propositionale Gehalt daß Gott existiert ist kein vollständiger Satz, und zwar nicht nur in grammatischer Hinsicht, sondern auch in logischer. Denn er hat im Gegensatz zu einem vollständigen (Aussage)satz keinen Wahrheitswert. Daß Gott existiert ist weder wahr noch falsch, genauso wenig wie irgendein anderer propositionaler Gehalt, die umgangssprachlich alle eine daß-Form haben: daß es regnet, daß es Montag ist, etc. Einen Wahrheitswert kann man erst einem Satz zuordnen, der z.B. entsteht, wenn man ein bejahendes Moment hinzufügt, etwa Es ist der Fall, daß Gott existiert oder Es ist der Fall, daß es regnet. Und dieses Fehlen eines Wahrheitswertes von propositionalen Gehalten wird an einem anderen wichtigen Punkt deutlich: sie können ähnlich wie ein "Gegenstand" in Sätzen verwendet werden, indem ihnen eine Eigenschaft zugeordnet wird: Es ist unangenehm, daß es regnet, oder Es ist schön, daß Gott existiert. Dies sind dann wieder vollständige Sätze, die formal in ein bejahendes Moment und einen propositionalen Gehalt aufgespalten werden können. So muß es dann formal heißen Es ist der Fall, daß es unangenehm ist, daß es regnet, oder Es ist der Fall, daß es schön ist, daß Gott existiert. Diese Eigenschaft eines propositionalen Gehalts, selber "Gegenstand" eines Satzes zu sein, wird nachher wichtig werden. Erst aber noch ein wenig Vorarbeit zur Verneinung.

Wie lautet die Verneinung von Es ist der Fall, daß Gott existiert? Zwei Möglichkeiten könnte man sich denken: Es ist nicht der Fall, daß Gott existiert und Es ist der Fall, daß Gott nicht existiert. D.h., man könnte entweder das bejahende Moment oder den propositionalen Gehalt verneinen. Würde man das bejahende Moment verneinen, dann würde man aber keinen Aussagesatz mehr haben, denn der kommt ja gerade durch das bejahnede Moment zustande. Da aber auch eine Verneinung eines Aussagesatzes wieder ein Aussagesatz sein soll, muß der propositionale Gehalt verneint werden. Es muß also richtig verneint heißen: Es ist der Fall, daß Gott nicht existiert.

So, noch eine Bemerkung zur Nomenklatur, dann können wir uns dem komplizierteren Satz Ich glaube, daß Gott existiert zuwenden. Den propositionalen Gehalt eines Satzes nennen wir im Folgenden der Einfachheit halber einen "Sachverhalt".
Die Zuordnung einer Eigenschaft nennen wir ein "Prädikat". Ein Prädikat wäre also Beispielsweise "rot sein" oder "glauben". Prädikate können unterschiedlich viele Argmente haben. Das Prädikat "rot sein" akzeptiert nur ein Argument, z.B. Blut: "Blut ist rot". "glauben" akzeptiert zwei Argumente, nämlich denjenigen, der etwas glaubt, und das, woran er glaubt. Also beispielsweise "ich" und "Gott": "Ich glaube an Gott".
Jetzt können wir also kurz und klar sagen, daß Sachverhalte Argumente von Prädikaten sein können. Das ist es, was mit dem Es ist unangenehm, daß es regnet veranschaulicht war. Alle Argumente von Prädikaten, die keine Sachverhalte sind, seinen kurz "Gegenstände" genannt.

Jetzt also endlich zum Ich glaube, daß Gott existiert. Hier haben wir den Fall, daß ein Sachverhalt (daß Gott existiert) das Argument eines Prädikats (glauben) ist. Das andere Argument des Prädikats glauben ist der Gegenstand ich.
Wenn wir den Satz Ich glaube, daß Gott existiert in seinen Sachverhalt und sein bejahendes Moment aufspalten, sehen wir sofort, wie er richtig verneint wird, nämlich indem sein Sachverhalt verneint wird: Es ist der Fall, daß ich glaube, daß Gott existiert wird verneint zu Es ist der Fall, daß ich nicht glaube, daß Gott existiert. Und das ist alles. Daß Gott existiert wird dabei nicht verneint, denn es ist ja selber das Argument eines Prädikats, nämlich des glauben. Und wenn ich dieses Argument verändere, dann bekomme ich einen anderen Satz, und nicht nur die Verneinung des Satzes. Man mag sich vor Augen führen, was passiert, wenn das Argument in einem Satz, den des zu Verneinen gilt, kein Sachverhalt, sondern ein Gegenstand wäre. Also etwa Es ist der Fall, daß Blut rot ist, was verneint zu Es ist der Fall, daß Blut nicht rot ist. Aber an dem Argument "Blut" im Prädikat "rot sein" darf ich nichts ändern. Mit diesem Satz kann ich nur etwas über Blut aussagen, aber über nichts anderes. Warum sollte dies anders sein, wenn das Argument ein Sachverhalt ist? Ich kann nur etwas über den Sachverhalt daß Gott existiert aussagen, aber nichts über irgendeinen anderen Sachverhalt, auch nicht über seine Verneinung daß Gott nicht existiert. Denn damit würde ich zu einem anderen Satz mit einem anderen Argument im Prädikat übergehen, also über etwas anderes reden.

Vieleicht ist dieses Argument zu abstrakt, zu grundsätzlich? Vieleicht sind Sachverhalte doch etwas anderes als Gegenstände, wenn es um die Verneinung geht? Gut, sehen wir uns noch mal im Detail und konkret an, ob Ich glaube nicht, daß Gott existiert und Ich glaube, daß Gott nicht existiert äquivalent sind. Wenn sie es wären, dann müsste man die beiden Sätze in jeder logischen Verbindung mit anderen Sätzen gegeneinander vertauschen dürfen, ohne daß sich an der Aussage und dem Wahrheitswert der logischen Verbindung irgend etwas ändern würde. Nehmen wir erst mal ein weniger abstraktes Beispiel als den Glauben an Gott. Nehmen wir stattdessen mal den Satz Ich sehe nicht, daß es regnet und entsprechend Ich sehe, daß es nicht regnet.
Ohne Zweifel können beide Sätze gleichzeitig wahr sein, und daher kann auch ihre logische Verbindung mit "und" wahr sein. Nehmen wir als dritten Satz mal Ich sehe nicht, daß es nicht regnet hinzu. Nun kann dieser Satz nicht gleichzeitig mit dem Satz Ich sehe, daß es nicht regnet wahr sein, denn sie widersprechen sich ja gegenseitig. Aber wie ist es mit der Verbindung mit dem Satz Ich sehe nicht, daß es regnet? Hier ist es doch möglich, daß beide Sätze gleichzeitig wahr sind, etwa dadurch, daß ich gar nichts sehe. Also kann ich Ich sehe nicht, daß es regnet durch "und" mit dem Satz Ich sehe nicht, daß es nicht regnet verbinden, und dadurch einen wahren zusammengesetzten Satz erhalten: Ich sehe nicht, daß es regnet und ich sehe nicht, daß es nicht regnet. Mit diesem zusammengesetzten Satz haben wir also einen Fall, in dem man den Satz Ich sehe nicht, daß es regnet nicht durch den Satz Ich sehe, daß es nicht regnet ersetzen kann, ohne sinnlos zu werden.

Und mit den Sätzen Ich glaube nicht, daß Gott existiert und Ich glaube, daß Gott nicht existiert ist es natürlich genauso. Ich glaube nicht, daß Gott existiert und Ich glaube nicht, daß Gott nicht existiert können durchaus gleichzeitig wahr sein. Man könnte z.B. annehmen, daß ich als Kind eines Naturvolkes noch nie etwas vom Gott, von dem hier die Rede ist, gehört habe, und ich daher gar keinen Glauben in dieser Hinsicht haben kann. Oder selbst, wenn ich mit dem Begriff "Gott" vertraut bin, so muß ich deshalb noch keinen Glauben oder Unglauben haben. Schließlich kann ich beim Werfen einer Münze durchaus sagen, daß ich nicht glaube, daß das Ergebnis "Kopf" sein wird, und daß ich nicht glaube, daß das Ergebnis nicht "Kopf" sein wird. Hier halte ich schlicht beides für völlig gleich möglich.
Also ist Ich glaube nicht, daß es Gott gibt und ich glaube nicht, daß es Gott nicht gibt ein durchaus sinnvoller und möglicherweise sogar wahrer Satz. Ersetze ich den ersten Teil dieses zusammengesetzten Satzes aber durch Ich glaube, daß es Gott nicht gibt, dann bekomme ich einen sinnlosen und unmöglich wahren Satz. Also können die beiden fraglichen Sätze in der Tat unmöglich logisch äquivalent sein.

So, nach langer Rede sollte damit sowohl theoretisch als auch praktisch hinreichend erklärt sein, daß Ich glaube nicht, daß es Gott gibt und Ich glaube, daß es Gott nicht gibt zwei verschiedene Sätze sind, bei dem die Aussage des zweiten über die des ersten hinaus geht. Und der erste Satz ist in der Tat eine vernünftige Ablehnung des Gottesglaubens. Der zweite Satz bringt selber wieder einen Glauben zum Ausdruck, und handelt sich damit zu Recht den Vorwurf ein, "auch nur eine Art Religion zu sein".

Sonntag, 12. September 2010

Ein Fakt bleibt ein Fakt

Nichts als die Wahrheit ist:

- Wenn die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland so bleibt, wie sie jetzt ist, dann leben in 300 Jahren nur noch 2 Mio. Menschen in Deutschland.

- Die Polen haben zuerst mobil gemacht.

- Es waren ja gar nicht alle Nazis, die Vernichtungslager gebaut haben, sondern nur manche von ihnen.

- Wenn sich eine Frau an alle Rechtsvorschriften des Islam hält, dann droht ihr auch keine Steinigung.

- Maximilian Kolbe hat sich im KZ freiwillig töten lassen.

- Wenn die Weltbevölkerungsentwicklung so bleibt, wie sie ist, dann leben in 1000 Jahren
197 700 000 000 000 000 Menschen auf der Erde.

- Selbst wenn die Geschwister Scholl nicht enthauptet worden wären, irgendwann wären sie trotzdem gestorben!

- Daraus, daß eine Aussage populistisch, menschenverachtend und schlecht begründet ist, folgt noch nicht, daß sie auch falsch ist.

- Unter den faschistischen Diktatoren des 20. Jahrhunderts waren Vegetarier, verglichen mit der Gesamtbevölkerung, statistisch gesehen überrepräsentiert.

- Es wurde ja niemand gezwungen, am 11. September 2001 ins World Trade Center zu gehen.

- Hätten die Zwangsarbeiter sich nicht durch Gewalt gefügig machen lassen, die Kriegswirtschaft des Deutschen Reiches wäre schon früh zusammengebrochen.

- Im laizistischen Frankreich werden jedes Jahr viel mehr Fälle von Kindesmissbrauch bekannt, als im katholischen Vatikanstaat.


..und was wahr ist, das muß man ja wohl auch so sagen dürfen!

Dienstag, 7. September 2010

Jetzt besorge ich es Euch richtig!

Ich will ERFOLG! Ich will AUFMERKSAMKEIT! JETZT! Sarrazin hat sie. Broder hat sie. Da kann ich sie auch haben! Nicht, daß mir Geld, Verkaufszahlen und Talkshowbesuche etwas bedeuten würden, nein! Ich bin allein Höherem verpflichtet, der Wahrheit, auch wenn sie unbequem ist! Aber die Wahrheit sagt nun mal nur, wer Erfolg hat und in Talkshows sitzt. Also Schluß mit dem belanglosen Geschwätz auf diesen Seiten, jetzt werden die ganz, ganz heißen Eisen von wirklicher Brisanz angepackt! Themen, die erregen werden, von denen die Zukunft der Welt, wenn nicht gar die unseres Landes abhängen! Hier also meine neuen Thesen:
Arbeitslose sind doof! Ausländer sind doof! Moslems sind doof! Juden sind doof! Linke sind doof! Frauen sind doof!
Na los, ihr Gutmenschen, steinigt mich für die unbequemen Wahrheiten, die ich ausspreche! Na los, schweigende Mehrheit, feiert mich, wo ich es endlich mal offen ausspreche, was schon immer die Wahrheit war! Die Klickzahlen auf dieser Seite müssten ja jetzt explodieren! Und wenn ich mich geschickt anstelle und mich nicht von der Komplexität der Realität verwirren lasse, dann sollte ich so zu einem der ganz großen Denker dieses Landes aufsteigen können, geradezu in Broder'sche Sphären vorstoßen! Dann kann auch ich mich endlich als Publizist, als Journalist, ja gar als Philosoph bezeichnen! Ein Held bin ich ja sowieso, gehöre ich doch jetzt schon zu den ganz wenigen in diesem Land, die den Mumm haben, unbequeme Wahrheiten offen auszusprechen und sich der Meinungsdiktatur entgegen zu stellen, welche die Deutschland seit den Sechzigern regierende pazifistische, maoistische Talibankommune errichtet hat! Die Denkmale für RAF-Terroristen und Ehrenmörder baut, während mutige, hart an der Wahrheit (unbequeme!) arbeitende, querdenkende Publizisten wie ich jederzeit damit rechnen müssen, ins politische Umerziehungslager "Renate Künast" deportiert zu werden! Wo mit härtester Zwangsarbeit im Frauenladen und mit dem Studium der politische Pamphlete der unkritisierbaren Führer der letzten Jahrzehnte, Merkel, Schröder, Kohl, versucht werden wird, meinen Willen zu brechen. Wo die Chefideologen auch mir die in diesem Land zur absoluten Wahrheit erhobenen Dogmen einbläuen werden, Joschka Fischer den bedingungslosen Pazifismus, Guido Westerwelle die Verwerflichkeit des Leistungsgedankens, Roland Koch die Toleranz gegenüber anderen Kulturen. Aber den Kaiser von China mögen die Linken vieleicht weichgekocht haben, einen Bock mit meinen Eiern werden sie nicht zum Gärtner machen! Ich bin bereit, für die wirkliche Wahrheit (unbequem!!) in den Tod zu gehen! Zumindest, solange ich in Ruhe am Schreibtisch in meiner renovierten Altbauwohnung sitzen bleiben kann. Und wenn es sein muß, werde ich die "Post von Wagner" so lange als Flugblatt verbreiten, daß selbst die Geschwister Scholl kopflos dastehen! Oh, was bin ich doch provokant! Doch das tut ja der Demokratie gut! Sind es doch die Provokateure (querdenkend, unbequem!) wie ich einer bin, die den demokratischen Diskurs gegen den Meinungsterror verteidigen, den all die Heerscharen von Falafel fressenden und Bionade saufenden Ex-Politologiestudenten in diesem Land errichtet haben! Oh, wo wäre dieses Land ohne mich!

Puh, das war doch für den Anfang schon mal gar nicht so schlecht, oder? Und keine Sorge, bald gibt es mehr davon! Jetzt muß ich erst mal eine neue Linie Koks wegsaugen, den BMW zum wachsen bringen, und sehen, ob ich mit der neuen Penispumpe nicht noch einen halben Zentimeter mehr rausholen kann, bevor das aus den Bild-Kleinanzeigen bestellte "tabulose Ukrainenluder" hier vorbeikommt. Aber danach stehe ich wieder voll zur Verteidigung der Werte unseres aufgeklärten Abendlandes bereit!

Montag, 6. September 2010

Sachen gibt's, die gibt's gar nicht!

Vor einiger Zeit habe ich schon mal erläutert, warum ich nicht glaube, daß es einen prinzipiellen Unterschied zwischen religiösen Erkenntnissen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gibt. Jetzt möchte ich noch hinzufügen, warum ich die Behauptung, Gott würde existieren, für genau im gleichen Maße sinnlos halte, wie die Behauptung, er würde nicht existieren.
Tatsächlich ist der Satz Gott existiert so unsinnig wie der Satz Pumuckl existiert. Das diese Sätze gemeinhin nicht als unsinnig empfunden werden, liegt nur daran, daß der Mensch, falls nötig, im Geiste etwas hinzufügt, was im Satz nicht explizit enthalten ist, von dem er aber weiß, das es eigentlich so gemeint ist. Wenn man diesen Zusatz aber mal ausdrücklich erwähnt, dann sieht man, daß es im Falle der Existenzbehauptung Gottes im Gegensatz zum Pumuckl-Satz oder den meisten Existenzaussagen des Lebens, keineswegs klar ist, wie es eigentlich gemeint ist. Aber mal der Reihe nach.

Das ein Satz wie Pumuckl existiert problematisch ist, das ist nicht gerade eine neue Erkenntnis. Besonders deutlich werden die Schwierigkeiten, wenn man den Satz verneint: Pumuckl existiert nicht. Denn offensichtlich existiert Pumuckl doch auf eine gewisse Art und Weise, denn von etwas, das nicht existiert, könnte ich nichts sagen. Und von Pumuckl kann ich etwas sagen, und sei es auch nur, daß er nicht existiert. Oder machen wir es noch deutlicher. Der kleine Nachbarssohn glaubt, daß Pumuckl existiert, obwohl Pumuckl gar nicht existiert. Das heißt also: Es gibt etwas, das es nicht gibt, und an das der Nachbarssohn glaubt. Das ist wohl offensichtlich Unsinn. Vorschläge, wie man aus diesem Problem gleichzeitig existierender und nicht existierender Objekte hinaus kommt, gibt es einige. Kurz gefaßt entkommt man diesem Gewirr am schnellsten, indem man annimmt, daß Existenz nicht pauschal behauptet werden kann, sondern nur mit Bezug auf eine Referenzmenge, innerhalb der etwas existieren soll. Für das Pumuckl-Beispiel bedeutet das, der Satz müsste korrekt lauten: Es existiert unter den literarischen Figuren etwas, von dem der Nachbarssohn glaubt, es existiere auch unter den materiellen Objekten, daß aber nicht unter den materiellen Objekten existiert. Damit ist der Widerspruch verschwunden, und man trägt auch der Intuition Rechnung, daß Pumuckl schon auf gewisse Weise existiert, denn schließlich kann man ja problemlos über ihn sprechen, weiß wie es aussieht, und kennt seine Vorlieben und Abneigungen.
Nehmen wir diese Lösung ernst, dann müssen wir genau genommen statt Pumuckl existiert sagen, Pumuckl existiert innerhalb dieser oder jener Referenzmenge. Pumuckl existiert unter den literarischen Figuren ist dann wahr, Pumuckl existiert unter den materiellen Objekten ist dann falsch. Wem dies ungewohnt erscheint, der möge an die Mathematik denken. Den Satz Es gibt nichts, das mit sich selbst multipliziert Zwei ergibt findet man dort nicht. Wohl aber Es gibt keine rationale Zahl, die mit sich selbst multipliziert Zwei ergibt. Wo Genauigkeit ernst genommen wird, findet sich auch die Angabe der Referenzmenge (z.B. die Menge der rationalen Zahlen), innerhalb der eine Existenz oder auch nicht-Existenz behauptet wird.
Diese Angabe der Referenzmenge ist aber gerade das, was im Alltag nicht mit erwähnt wird, denn intuitiv weiß man schon, auf welche Referenzmenge man sich bezieht. Wenn ich behaupte, Pumuckl existiere nicht, dann ist allen klar, daß ich die materiellen Objekte als Referenzmenge meine. Wie ist das aber nun bei Gott?

Wenn jemand behauptet, Gott existiert, oder auch Gott existiert nicht, auf welche Referenzmenge bezieht sich diese Aussage? Zweifellos lassen sich leicht Referenzmengen finden, bei denen diese Sätze mal wahr, mal falsch werden, ohne das irgendwer damit Probleme hätte. Denn das Gott unter den literarischen Figuren existiert, das werden Gläubige nicht abstreiten wollen, taucht der Begriff Gott doch sehr oft in Büchern auf. Und auch der härteste Atheist wird die Wahrheit dieser Existenzbehauptung Gottes nicht bestreiten. Umgekehrt würde kein auch nur annähernd vernünftiger Gläubiger die Wahrheit des Satzes Gott existiert nicht bestreiten, wenn als Referenzmenge die Menge aller raum-zeitlich lokalisierten Objekten angenommen wird. Denn Gläubige behaupten ja nicht, Gott sei zu der und der Zeit an der und der Stelle des Raumes. Gott ist ewig und allgegenwärtig, und kann daher nicht lokalisiert werden wie ein gewöhnlicher Gegenstand. Ja, er alleine hat ja Raum und Zeit erst geschaffen, und muß daher außerhalb dieser Begriffe stehen. Aber, welches ist dann der Referenzbereich, auf den sich die Behauptungen der Existenz Gottes durch Gläubige oder die Behauptung der Nichtexistenz Gottes der Atheisten beziehen?
Es müßte ein Bereich sein, der unabhängig von den raum-zeitlichen Objekten ist, und auch unabhängig von allem, was sich der Mensch denken kann. Welches Kriterium könnte eine solche Menge, innerhalb der Gott dann "wirklich" existieren soll, auszeichenen? Offenbar gibt es keines. Das kommt wohl nicht überraschend, stellte doch schon Thomas von Aquin fest, daß wir Menschen Gott nicht als das erkennen können, was er ist, sondern nur darüber einschränken, was er nicht ist. Aber hilft das weiter? Können wir eine Menge, innerhalb der Gott existieren soll, durch Verneinungen anderer Mengen konstruieren? Auch damit kommt man nicht weiter. Denn die Menge aller Objekte, die nicht raum-zeitlich lokalisiert sind, enthält Gott genauso gut wie Pumuckl und hilft uns nicht weiter. Und die Menge aller Dinge, die nicht im menschlichen Verstand existieren? Die enthält Gott mit Sicherheit nicht, denn Gott existiert, egal ob noch irgendwo anders, auf jeden Fall im menschlichen Verstand. Also kommen wir auch so zu keiner Menge, auf der die Existenzbehauptung Gottes nicht banal wahr oder falsch wäre. Und ohne eine solche Menge ist die Behauptung, Gott existiere, genauso sinnlos, wie die Behauptung, er existiere nicht. Und wer einen der Sätze Gott existiert oder Gott existiert nicht trotz allem noch für wahr hält, der könnte genauso gut eine Äußerung wie Milch der müde hoch für wahr halten. Der einzige Unterschied ist, daß Gott existiert einen grammatisch gültigen Satz darstellt, das andere nicht. Inhaltlich sind sie aber beide bloß sinnlose Aneinanderreihungen von Worten.

Donnerstag, 2. September 2010

Sam Harris zwischen Gut und Böse

Da ist es also schon wieder passiert. Sam Harris, nach eigener Einschätzung wohl alleinig im Besitz einer "guten" Philosophie, will einem wieder ein neues Buch samt einer wissenschaftlich fundierten Ethik verkaufen, und das Evo-Magazin bietet eine deutsche Übersetzung seiner FAQs zu diesem Thema an. Über seine Antworten auf zwölf Fagen kann man jetzt diskutieren, muß man aber gar nicht. Denn letztlich geht es nur um den altbekannten Utilitarismus, bloß mit ein bisschen Botox gegen die Altersfalten. Bemerkenswert ist alleine der unbescheidene und offenbar frei von Selbstkritik vorgetragende Anspruch, eine wissenschaftliche Ethik zu liefern. So wird die Frage Gibt es richtige und falsche Antworten auf moralische Fragen? eindeutig mit Ja beantwortet, ohne daß sich irgendein bescheidener Verweis darauf fände, daß dieses Ja nur dann gilt, wenn man seine eigene, spezielle ethische Theorie erst einmal akzeptiert hat. Der Dreh- und Angelpunkt seiner Ausführungen steckt alleine im ersten, kurzen Satz seines Textes, und wird dem Leser ganz beiläufig untergeschoben. Dabei ist es dieser harmlos daher kommende Satz, der die größte Aufmerksamkeit und Diskussion verdienen würde. Er lautet:
"Moral muss sich früher oder später auf das Wohlbefinden von bewussten Lebewesen beziehen."
Dieser Satz ist eine Grundannahme, die für alle weiteren Schlüsse und Argumente in Harris' Werk benötigt wird. Und die schlichte Frage, die man hier stellen muß, ist: Warum denn?
Dieser Satz enthält seine Antwort auf die große Frage Was soll man tun?,und sie lautet Nach Wohlbefinden streben! Aus dieser Antwort leitet er in Kombination mit seinem Wissenschaftsverständnis seine ethische Theorie ab. Warum soll man aber nach Wohlbefinden streben? Eine pragmatische Antwort wäre hier wohl angemessen. Doch Harris ist das offenbar nicht genug, kritisiert er doch Gemeinschaften mit anderen Werten, etwa die Taliban oder die katholische Kirche, unter der Annahme, das die Forderung nach dem Wohlbefinden auch für sie gültig ist. Nun will ich dem Autor nicht die Unfähigkeit unterstellen, die sich aus einer pragmatisch gewählten Gültigkeit dieser Annahme ergebende Unsinnigkeit einer solchen Argumentation zu erkennen. Also scheint er einen über die reine Pragmatik hinausreichenen, zwingenden Grund für die Gültigkeit des Strebe nach Wohlbefinden anzunehmen. Aber ganz offen und nicht mal ironisch gesagt, sehe ich keinerlei logischen oder wissenschaftlichen Grund, dem Satz Man soll nach Wohlbefinden streben mehr zuzustimmen, als Sätzen wie Man soll nach Duschvorhängen streben oder Man soll nach einem gebrochenen Fuß streben. Natürlich, ich stimme dem Satz Ich strebe nach Wohlbefinden viel mehr zu als den Sätzen Ich strebe nach Duschvorhängen und Ich strebe nach einem gebrochenen Fuß, und das geht vermutlich den allermeisten Menschen so. Aber das sind wohlgemerkt andere Sätze als die man-soll-Sätze zuvor! Wenn jemand ein logisches oder wissenschaftliches Argument kennt, das es einem erlaubt, den ersten der sollens-Sätze den übrigen oder jedem anderen vorzuziehen, dann möge er es mich doch bitte wissen lassen! Solange es da aber beim Schweigen bleibt, muß man davon ausgehen, daß Harris' Ethik kein bisschen besser begründet ist als jede andere in sich schlüssige ethische Theorie auch, und sei sie ansonsten noch so abstrus. Man sollte meinen, dies sei genug Grund für ein wenig Bescheidenheit im Auftritt...

Mittwoch, 1. September 2010

Wozu brauchen wir denn noch Ausländer?

Es scheint ja zur Gewohnheit zu werden, daß immer mal wieder jemand, nachdem er über längere Zeit unauffällig seine öffentliche Arbeit ausgeführt hat, durchdreht und seine Zeitgenossen mit kruden und absurden Thesen belästigt, die er dann gerne mit missionarischem Gestus vorträgt. Und seine Bekanntheit hilft ihm auch noch noch dabei, eine große Bühne für seine Äußerungen zu finden, die ansonsten zu Recht völlig unbeachtet blieben. Nach Eva "Gott will, daß ich Kuchen backe" Hermann hat es jetzt Thilo "Die Ausländergene verblöden uns" Sarrazin erwischt. Und noch viel frustrierender als seine Absonderungen aus schlecht interpretierten Halbwahrheiten sind die hysterischen Erwiderungen der mit nicht mehr Sachverstand ausgestatteten Persönlichkeiten der öffentlichen Lebens, die auf ihn losgelassen werden. Dabei hat die Homöopathieexpertin Renate Künast ("Die pauschale Kritik an der Homöopathie verkennt, dass selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung von Heilmitteln zurückgreift, die es in der Natur kostenlos gibt.") den besten Beweis erbracht, daß Deutschland sich zur Verblödung keine Hilfe von außen holen muß. Denn in der gestrigen Sendung Beckmann (0:49:53 bis 0:50:03) sagte sie doch: "Wenn der liebe Gott gewollt hätte, lieber Herr Sarrazin, daß sich die Welt allein über die Addition von Zahlen erklärt, dann hätte er am ersten Tag die Zahlen erschaffen. Hat er aber nicht!" Und da muß ich nun als alter Hobbytheologe, der ich bin, energisch widersprechen: Hat er doch! Denn die Heilige Schrift berichtet uns in der Tat, daß Gott am Tage Eins die Welt erschuf. Wie aber hätte dies der Tag Eins sein können, wenn es da noch gar keine Zahlen gab?
Und wenn sich diese Erkenntnis erst mal bei Frau Künast gesetzt hat, kann sie in Zukunft dann der sachlichen Analyse doch wenigstens ein kleines bisschen Raum in ihrem Denken zugestehen.