Samstag, 31. Juli 2010

Munterer Mondemix

Und wieder einmal Die Zeit und Astronomie... Heute möchte sie ihren online-Lesern die extremsten Orte im Sonnensystem vorstellen. Das ist natürlich spannend, aber da kann man auch schon mal als recherchierender Journalist ein bisschen den Überblick verlieren:


Nein, Europa ist ein Mond des Jupiter. Macht aber nix, es gibt ja Kompensation für den Verlust:


Denn Titan ist ein Mond des Saturn. Aber ehrlich gesagt, welcher Leser will's schon wirklich so genau wissen?

Nachtrag 2.8.:
Europa gehört nun zu Jupiter, Titan ist aber immer noch falsch plaziert. Langsam arbeitet man sich vor...
Nachtrag zum Nachtrag:
Inzwischen hat Titan einen Sprung von immerhin 14.4 Astronomische Einheiten gemacht und ist wieder an seinem angestammten Platz im Saturnsystem angekommen.

Perverses für den Kunstliebhaber

Heute sind wir mal nicht so ganz jugendfrei und werfen einen kurzen aber mutigen Blick in die dunklen Abgründe menschlicher Gelüste (man wird verstehen, wenn ich aufs ausgiebige Verlinken heute mal verzichte). Denn es begeistert und fasziniert mich ja immer wieder, wie ein und dieselbe Tatsache aus verschiedenen Blickwinkeln ganz anders aussieht, ja wie sie sich ihre Wahrnehmung mitunter plötzlich in ihr Gegenteil verkehrt. Und das sieht man nirgends so eindrucksvoll und deutlich wie in der kunterbunten Finsternis der Perversionen.

Nehmen wir also mal einen Zeitgenossen, der dem prinzipiellen Reiz des inzestuösen Liebesspieles erlegen ist. Im Internet findet er ein reichhaltiges Angebot an "tabulosen Inzestspielen" aller Art, an deren Darstellung er sich im stillen Kämmerlein ergötzen kann:


Sicherlich, eine ausgesprochen widerliche und verdammenswerte Leidenschaft! Auf der anderen Seite allerdings, da berichtet selbst die Bibel:
Und Lot zog aus Zoar und blieb auf dem Berge mit seinen beiden Töchtern; denn er fürchtete sich, zu Zoar zu bleiben; und blieb also in einer Höhle mit seinen beiden Töchtern.
Da sprach die ältere zu der jüngeren: Unser Vater ist alt, und ist kein Mann mehr auf Erden der zu uns eingehen möge nach aller Welt Weise;
so komm, laß uns unserm Vater Wein zu trinken geben und bei ihm schlafen, daß wir Samen von unserm Vater erhalten.
Also gaben sie ihrem Vater Wein zu trinken in derselben Nacht. Und die erste ging hinein und legte sich zu ihrem Vater; und der ward's nicht gewahr, da sie sich legte noch da sie aufstand.
Des Morgens sprach die ältere zu der jüngeren: Siehe, ich habe gestern bei meinem Vater gelegen. Laß uns ihm diese Nacht auch Wein zu trinken geben, daß du hineingehst und legst dich zu ihm, daß wir Samen von unserm Vater erhalten.
Also gaben sie ihrem Vater die Nacht auch Wein zu trinken. Und die jüngere machte sich auf und legte sich zu ihm; und er ward's nicht gewahr, da sie sich legte noch da sie aufstand.
Also wurden beide Töchter Lots schwanger von ihrem Vater.

(1. Mose, 19, 30-35)
Und wenn die Bibel solche illustre Geschichten erzählt, dann kann auch nichts dabei sein, wenn ein Maler sie illustriert. Und so kann dem Freund der familiären Liebelei auch ein Besuch im Rijksmuseum Amsterdam empfohlen werden:


Aber lassen wir es damit erst mal gut sein und sehen uns lieber ein bisschen unter Produkten um, wie man sie nicht unbedingt bei Lidl ans Herz gelegt bekommt. Darunter wäre zum Beispiel eine elegante und formschöne "Riesen Analspritze":


Was ich damit mache, bleibt also mir überlassen. Nur gut, daß ich über keine zu lebhafte Phantasie verfüge. Doch vieleicht werde ich hier auch nur deshalb von einer leichten Scham heimgesucht, weil diese Spritze nicht der richtigen Person gehört. Gehörte sie Napoleon Bonaparte, man könnte sie in einer Ausstellungsvitrine auf Schloß Fontainebleau bewundern:


Doch richten wir unseren Blick gleich wieder auf etwas höher gelegene Regionen des menschlichen Körpers. Denn auch für am Schmerz interessierte Zeitgenossen hält das Internet eine Unmenge an stimulierenden Anregungen zur Freizeitgestaltung bereit. Etwa das erotische Quetschen weiblicher Brustwarzen:


Und wer sich jetzt lieber schaudernd von den perversen Auswüchsen des Internets abwenden will, der kann ja zur Beruhigung seiner Nerven einen Besuch von Florenz in Erwägung ziehen. Der Palazzo Pitti etwa verfügt über eine beeindruckende Sammlung von Meisterwerken der Renaissance, die, wie z.B. in den Werken von Sebastiano del Piombo, auch gerne mal die ein oder andere erbauliche Märtyrergeschichte illustrieren:


Und selbst diejenigen, die ein bisschen Gezwicke in die Brust noch für teenagertaugliches Pipifax halten, finden online ein reiches Angebot an harten Foltercomics:


Ja, man mag sich an der Seele seiner Mitmenschen erschrecken! Die Kirche bietet da natürlich Trost. Den Altar der Heiligen Barabara in Schwaigern sollte man sich aber auf seiner Suche nach innerer Ruhe lieber nicht zu genau ansehen. Denn auch da finden sich Details, von denen empfindsame Gemüter gar nichts wissen wollen:


Und was soll das jetzt alles? Ob eine Darstellung nun jugendgefährdender und menschenverachtender Schund oder museumswürdiges Kulturgut ist, das mag von vielen Dingen abhängen. Von dem, was man in der Darstellung tatsächlich sieht, hängt es aber am wenigsten ab. Vieleicht lohnt es sich, das im Hinterkopf zu behalten, wenn man das nächste Mal nach einem Verbot von jugendgefährdenden und gewaltverherrlichendem Material verlangt, oder sich über die Museumstauglichkeit eines Kunstwerkes empört?

Mittwoch, 28. Juli 2010

Best of Atheismus!

Endlich ist es soweit: Ich kann das erhoffte "Siehste! Genau davon spreche ich ja!" rufen. Denn die harte Atheistenfraktion in Gestalt des Blogs Aufklärung 2.0 hat doch noch zu meinem Text "Atheismus ist Schwachsinn" geäußert. Und das freut mich nicht nur besonders, weil diese meine Kritik nach eigenem Bekunden im Grunde gar nicht ernst nehmen, sondern auch, weil ich mir sicher war, im Falle einer Reaktion eine ganze Reihe Bestätigungen meiner Vorwürfe direkt frei Haus zu bekommen. Und so will ich auch gar nicht auf all die schlecht zitierten Passagen und das Argumentieren an Vorwürfen vorbei durch Aufklärung 2.0 eingehen (obwohl es schmerzt, all dies unkommentiert zu lassen), sondern lieber die erhofften Bestätigungen durch Autor und Kommentatoren hervorheben!

Da haben wir etwa als Antwort auf meinen Text
Auf ein Gespür für solch feine Ironien wie das völlig irrationale Feiern naturwissenschaftlicher Ereignisse braucht man aber gar nicht erst zu hoffen.
die Stellungnahme:
"Da ist keine Ironie vorhanden. Es gibt keinen Grund, warum wir natürliche Ereignisse oder naturwissenschaftliche Erkenntnisse nicht feiern sollten. Wir können feiern, was wir wollen. Menschen erschaffen Bedeutung und sie können allem Bedeutung verleihen."
Wie gesagt, kein Gespür für die Ironie vorhanden! Ob die "gläubigen Atheisten" wohl im Begriff Kult der Vernunft Ironie erkennen können? Wenn nicht, mache ich mir am Ende noch richtige Sorgen!

Auf
Einfach mal Fragen, wieso sie von der Existenz einer realen Außenwelt überzeugt sind, oder was in der Art. Zur Not noch ein-, zweimal nachbohren, und schon wird man gereizt mit wunderschönen Beispielen naiver Oberflächlichkeit im Weltbild bedacht.
bekomme ich die Antwort:
"Wir sind Tiere auf einem Staubkorn im Weltall. Die Idee des Solipsismus oder radikalen Konstruktivismus ist die arroganteste Idee aller Zeiten, noch viel mehr als die Idee, man würde die Hauptrolle in Gottes Plan spielen. Es gibt überhaupt keinen Grund, an der Existenz der objektiven Realität zu zweifeln. Nur weil man das Gegenteil nicht widerlegen kann – dass die Realität nur eine Konstruktion unserer subjektiven Wahrnehmung ist – ist es noch lange nicht wahr."
Eben, sach' ich doch! Naive Oberflächlichkeit im Weltbild! Oder findet jemand die Zurückweisung durch "Arrogant" und "Nur weil man es nicht ausschließen kann, heißt es nicht, daß es auch so ist" besonders tiefgründig? Also, auch kein Gespür für metaphysische Probleme vorhanden...

Auf mein Bekenntnis
Die Standardwerke dieser Bewegung, seinen sie von Dawkins oder wem auch immer, habe ich nicht. Nach den kurzen Ausschnitten, die ich gelesen habe, glaube ich auch nicht, daß ich mit diesen Texten meine Zeit und mein Geld verschwenden will. (Weiter geht der Text, nicht mehr auf Aufklärung 2.0 zitiert, mit: Nehmen wir statt dessen mal das Evo-Magazin als Quelle faszinierender Einblicke in die Gedankenwelt des gläubigen Atheisten. Es ist umsonst, und es bereitet die Thesen auch der Prominenten unter den gläubigen Atheisten auf. Offenbar ist da die Meinung von den eigenen Publikationen nicht bei allen so wahnsinnig hoch...)
bekomme ich erwartungsgemäß meine Unkenntnis vorgehalten (Interessierte seien dazu auf einen eigenen post verwiesen):
"Du hast also keine Ahnung, was wir sagen"
In dem Zusammenhang bekommt man sehr schöne Leserkommentare. Oft genug fragt man sich, ob die denn meinen Text selber überhaupt gelesen haben. Bei anderen fragt man sich das nicht, denn die geben freimütig zu, meine posts seien tl;dr. Ok, das heißt dann wohl unentschieden!

Aber bestimmt wird bald noch alles anders. Denn innerhalb eines Tages habe ich gelernt, daß ich keine Ahnung von Wissenschaft, Wissenschaftstheorie, Physik und Stochastik habe. Dafür haben die "gläubigen Atheisten" solch schöne Vorsätze wie
"Der Zweifel ist ein grundlegender Bestandteil des Prinzips des kritischen Denkens."
"Dementsprechend kann es ja nicht schaden, die eigene Position nochmal explizit zu erläutern und somit auch eine Grundlage für weitere, vielleicht niveauvollere Streits zu schaffen."
"Schließlich will man ja andere aufklären und das geht eben nur wenn man sich mit ihrer Weltanschauung auseinander setzt und diese argumentativ zerlegt."
Da werde ich also bestimmt in der nächsten Zeit doll viel Neues lernen können! Bleibt mir nur noch eines zu sagen, und zwar für's bisherige: Danke!

Nachtrag 3. August:
Ich sollte vieleicht noch erwähnen, daß der Autor von Aufklärung 2.0 inzwischen den Vorsatz gefasst hat, in Zukunft weniger polemisch aufzutreten und das Niveau seiner posts zu erhöhen. Soweit man das bisher sagen kann, setzt er diesen Vorsatz auch durchaus erfolgreich um.

Diskussionen abwürgen und klug dabei aussehen

Tja, wem geht es nicht mitunter so: da ist man zu einer großartigen, die Welt verändernden Erkenntnis gekommen, und keiner hört hin. Nun sollte man annehmen, daß eine gewisse Werbung und Überzeugungsarbeit schon in meinem eigenen Verantwortungsbereich liegt, wenn ich meine Erkenntnis verbreiten will. Spätestens nach der Schule sollte ich gemerkt haben, daß es im Leben nicht reicht, einfach nur "Machen wir es doch so-und-so." zu sagen, um Beifall zu bekommen, ganz egal wie gut die Idee auch sein mag. Und erst recht gilt das, wenn es mir gelungen ist zu erklären wie das Universum tatsächlich aufgebaut ist, wie Astrologie funktionieren kann, wie sich vom Denken aufs Sein oder vom Sein aufs Sollen schließen lässt, und dergleichen Dinge mehr. Alle diese Dinge, wie sie drastisch der gängigen Meinung widersprechen, würden geistige Umwälzungen kopernikanischen Ausmaßes nach sich ziehen. Da muß ich wohl mit einer gehörigen Portion Skepsis rechnen und auch mal was bieten. In der Wissenschaft ist das wohl auch der Normalfall. Auf Vorträgen und Postern auf Konferenzen und in Fachpublikationen stellt man seine Arbeit knapp, präzise und sachlich dar und versucht, seine Mitmenschen zu überzeugen. Und wenn man an die schiere Menge von Publikationen denkt, die jedes Jahr erscheint, dann versteht man auch, warum sich gewisse Standards eingebürgert haben, die das Lesen erleichtern sollen:
Ein abstract, der ganz knapp die Ziele, Methoden und Ergebnisse der Arbeit zusammenfasst. Eine kurze Einleitung, die die Arbeit in den Zusammenhang einordnet, sowie eine Zusammenfassung, die die Ergebnisse nochmal auf den Punkt bringt. Und natürlich ein sachlicher Stil in einem gut strukturieren Text. Alles das hilft sehr, Menschen, um deren Aufmerksamkeit viele Autoren buhlen, einen schnellen Überblick zu geben und ihnen zu erlauben, die Relevanz der Arbeit einzuschätzen und gegebenenfalls ihr Interesse zu wecken.
Soweit, so gut. Und dann gibt es da die Menschen, die dieses Prinzip ignorieren oder gar in sein Gegenteil zu verkehren. Diese Menschen findet man in vielen obskuren Bereichen, von der Astrologie über die junk-scientists bis zur etablierten Religion und dem "gläubigen Atheismus". Allen diesen Menschen scheint gemeinsam zu sein, daß es ihnen nicht um sachliche Überzeugungsarbeit geht, sondern um die schnelle und schiere Verbreitung ihres Glaubens, sei es aus eigener Überzeugung, sei es aus wirtschaftlichem Interesse. Und allzu kritisches Nachfragen muß man dann oft genug mangels Argumenten abblocken. Und da kommt dann der Verweis auf die Literatur, die auch dem kritischsten Kritiker alle offenen Fragen beantworten würde. Eine solche Vorgehensweise kann ja nicht verwerflich sein, schließlich ist sie auch in der Wissenschaft notwendigerweise gang und gäbe. Nur muß hier natürlich sichergestellt sein, daß die Quelle, auf die verwiesen wird, unattraktiv genug ist, um den Kritiker ein für alle mal los zu sein. Wenn das Studium der Referenz nur zu langwierig und offensichtlich nutzlos ist, dann wird der Kritiker schon aufgeben. Man kann alle weitere Kritik an seiner Ansicht mit dem Verweis der Unwissenheit und dem Unwillen der Kritiker abtun, und sich selbst bei Bedarf auch noch als das ignoriere, unverstandene Genie inszenieren. Und bei den Leichtgläubigen macht es auch noch einen guten, intelligenten Eindruck, wenn man auf viel umfangreichere Darstellungen verweisen kann, auf die man gerade mangels Zeit und Vorkenntnisse nicht eingehen kann. Beispiele!

In einfachen Fällen reicht oft schon der Verweis auf ein Buch. Die meisten Menschen sind eh' zu faul, in die Bibliothek zu gehen, oder zu geizig, Geld für etwas auszugeben, von dem sie sowieso nichts halten. Noch besser natürlich, wenn es schwer zu bekommen ist. Leichte Fälle ist man so unauffällig los. Das ist mir mit Fragen zur Rolle von Gottesbeweisen in der katholischen Kirche so gegangen. Der Pfaffe verwies mich auf ein theologisches Buch, das ich mir durchaus mit Mühe besorgt habe. Ich habe es durchgelesen, meine Antwort hatte ich immer noch nicht, aber die Lust auf weitere Diskussionen ist mir darüber auch vergangen. Ein weiteres Beispiel durch die Gegenseite findet sich auch. Da gibt es Ausschnitte und Zusammenfassungen eines Buches, die man allesamt für banal und unsinnig hält. Aber Kritik ist dennoch nicht erlaubt, denn man hat das ganze Buch ja nicht gelesen. Und was steht noch drin in dem Buch, das so viel besser ist als das Bekannte? Verrate ich nicht, mußt du schon selber lesen! Puh...

Das Buch muß, wenn man es geschickt wählt, auch gar nichts mit dem Thema zu tun haben. Ich erinne mich an eine Astrologin, die erklärte, die von ihr angewandten Prinzipien der Vorhersage der Zukunft seien in der Principia Mathematica von Whitehead und Russell dargestellt. (Zu dumm, ich finde die betreffende Seite nicht mehr wieder!) Eine gute Wahl! Das aus drei dicken Bänden bestehende Buch ist sündhaft teuer und nur in ausgewählten Bibliotheken zu finden (Es gibt eine sehr empfehlenswerte Taschenbuchausgabe des Vorworts und der Einführung bei Suhrkamp. Aber man muß bestimmt das gesammte Werk lesen, um die Vorhersage der Zukunft daraus zu verstehen.). Und falls es doch mal jemand bis zum Buch schafft, wird er eh rein gar nichts verstehen. Und sollte jemand doch was davon verstehen, so ist er sowieso nicht blöd genug, um als Kunde einer Astrologin in Frage zu kommen.

Wer doch lieber auf eigene geistige Ergüsse verweisen will, der bekommt schnell einen guten Text hin, wenn er ein paar einfache Regeln beachtet:
1) Behaupte nie, du würdest für Fachleute schreiben. Das ist immer der Notausgang bei fachlicher Kritik an der Darstellung.
2) Fasse dich niemals kurz. Allein die Masse an Material hält schon so manchen Kritiker davon ab, sich näher mit deinem Werk zu beschäftigen.
3) Erkläre Banalitäten lang und breit, und huddle über die kritischen Stellen umso schneller drüber. Vermittelt den Eindruck tiefgehender Kompetenz, und daß du so intelligent bist, daß du die schwierigen Passagen eigentlich trivial findest.
4) Wechsle das Argumenationsniveau so oft wie möglich. Erkläre mal auf Kindergartenniveau, dann wieder reihe beeindruckende Fachworte aneinander. Den Laien beeindruckt es, den Fachmann entnervt es.
5) Mische reichlich Unwichtiges (gerne Privates, Anekdoten,...) in den Text mit ein. Das entnervt Kritiker und amüsiert Gläubige. Außerdem erscheint man so viel menschlicher als die Wissenschaftler mit ihren staubtrockenen Darstellungen.
6) Vermeide eine klare Struktur. Springe hin und her. Das macht es Kritikern nahezu unmöglich, die Gedankengänge nachzuvollziehen oder die Fehler in der Argumentation aufzuspüren. Sicherlich werden sie aufgeben, bevor sie sich die Mühe machen, den Wirrwarr zu ordnen und die Fehler offenzulegen.
7) Wenn dir die Argumente ausgehen sollten, werde einfach emotional. Niemand wagt es zu widersprechen, wenn du nur selbstsicher und laut genug behauptest, nur ein Blödmann würde deine Argumentation nicht verstehen.

Als ein Beispiel für die Befolgung einiger dieser Regeln mögen Videos aus der pseudowissenschaftlichen Ecke dienen. Hier hat mal wieder jemand die Weltformel gefunden. Verraten tut er sie aber nur in diesem mehr als achtstündigen Videomaterial! Ich war echt guten Willens, aber nach zehn Minuten banalen Geschwätzes habe ich dann doch entnervt aufgegeben...

Und wenn man wirklich auf absolute Nummer sicher gehen will, dann bleibt immer noch das Geld. Die Wahrheit gibt's nur im kostenpflichtigen Download. Oder im Wochenendseminar, für 400 Euro. Gut, das wirkt dann nicht mehr so klug, aber immerhin kommt bestimmt kein nerviger Kritiker dazu, der es zu genau wissen will...!
Ach, arme, unverstandene Geister...!

Samstag, 24. Juli 2010

Globuli und Trinkwasser

Also nochmal zur Homöopathie. Ich weiß, es ist ziemlich unsexy, solche Dinge immer wieder zu verkopfen, anstatt sie einfach nur anzuwenden und sich dabei irgendwie sanft und Eins mit der Welt zu fühlen. Aber es muß nunmal sein. Nach dem geradezu widerlich vernunfttriefenden Vorstoß irgendwelcher Materialisten in der SPD, und dem Beifall der Betonköpfe der CDU, homöopathische Mittelchen nicht mehr von den Krankenkassen bezahlen zu lassen, und der sich daran anschließenden Propagandawelle der Schulmedizinhörigen, scheint dieses Thema ja in der diesjährigen Sommerpause gut zu gedeihen. Die taz fühlt sich gleich berufen, auf den verschwindend geringen Anteil der Kosten für Homöopathie an den Krankenkassenausgaben hinzuweisen, und zu beklagen, daß spießige Menschen trotzdem noch einen Wirksamkeitsnachweis verlangen. Und sie läßt auch noch eine Professorin weiter Nebel verbreiten. Denn Frau Professor Witt gibt zwar zu, daß sie keine Ahnung hat, wie Homöopathie wirken sollte, und daß der Placeboeffekt und das Einfühlungsvermögen des Homöopathen eine große Rolle spielen. Nur das Naheliegende sagt sie nicht, nämlich daß die mysteriösen Wundermittelchen nicht mehr helfen als das gute alte Pusten durch Mama.
Noch vor ganz kurzem hätte ich mich darüber noch mächtig aufregen können. Nun aber habe ich meinen Frieden mit der Homöopathie gemacht. Nicht, das meine Meinung über sie plötzlich besser geworden wäre, ganz sicher nicht. Aber das war auch nicht nötig, um sie harmonisch ins Weltbild einzubauen. Aber um das verständlich zu machen, muß ich erst ausführen, was genau mich denn früher so an der Homöopathie geärgert hatte. Und das waren zwei Dinge.
Erst einmal, es ist nichts falsch daran, Menschen Placebos zu verabreichen, wenn sie sich dadurch besser fühlen. Aber sie durch den Aufbau und die offizielle Absegnung einer phantastischen pseudowissenschaftlichen Esoteriklehre bewußt und dauerhaft in die Irre zu führen, das fand ich ein wirklich starkes Stück. Zwar kann man vieleicht vom jungen, im Umgang mit modernen Medien geübten Menschen erwarten, daß er sich selber über die Hintergründe der Homöopathie informiert. Aber wenn selbst eine Fraktionschefin und Ex-Verbraucherschutzministerin wie Frau Künast nicht weiß, was Homöopathie ist ( "Die pauschale Kritik an der Homöopathie verkennt, dass selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung von Heilmitteln zurückgreift, die es in der Natur kostenlos gibt." - Ach. Und?), wie soll ich dann meine Oma, die glaubt, was ein Mann im weißen Kittel ihr sagt, von unsinnigen Ausgaben abbringen?
Und mit den Ausgaben sind wir schon beim zweiten ärgerlichen Punkt angelangt. Mag sein, daß die wirkstofffreien Mittelchen nur einen kleinen Anteil an den Gesamtausgaben der Krankenkassen haben. Aber betrachten wir mal den folgenden realen Fall: Da knickt man böse mit dem Fuß um und zerrt sich schmerzlichst die Bänder. Man ist nicht zuhause, und humpelt also in die nächste Apotheke, die man finden kann, und verlangt nach Bandagen zur Stützung des wehen Fußes und nach etwas Schmerzstillendem. Das bekommt man auch, aber dann stellt die Apothekerin (auch sie trägt einen seriösen weißen Kittel) noch einen Karton mit einem Fläschchen auf die Theke mit dem Hinweis, das solle man besser auch noch schlucken, denn das "absorbiere die Entzündung", und koste auch nur sieben Euro. Und wem als medizinischen Laien das "Absorbieren von Entzündungen" nach einer Bänderdehnung irgendwie merkwürdig vorkommt, der kann dann auf der Packung lesen, daß man ein homöopathisches Mittelchen erwerben solle. Und auf den Hinweis an die Verkaufende, man wolle kein Geld für Homöopathisches ausgeben, kommt nur ein abfällig ausgesprochenes "Ja, wenn sie meinen... Hilft aber gut!" Ja, wenn's gut hilft, dann sind sieben Euro wirklich ein akzeptabler Preis! Aber andererseits...
In einer Online-Apotheke kann man mal die Preise für diverse homöopathische Mittelchen nachsehen. Die 10g-Packungen Globuli kosten da etwa:
Arnica C12: 4,59 €
Aconitum D30: 5,48 €
Aconitum C1000: 30,88 €
Die Verpackungen tragen dabei noch den Hinweis "enthält Saccharose". Man könnte der Einfachheit halber auch schlicht sagen "ist Saccharose", also ganz ordinärer Zucker. Der wiederum kostet im Supermarkt an der Ecke (ist nicht der Billigste!) 1,50 € das Kilogramm. Und da kann man dann mal ausrechnen, um wieviel der Wert des Zuckers pro Kilogramm zunimmt, wenn man in zu homöopathischen Kügelchen verarbeitet! Nämlich um das 306-fache bis zum 2059-fachen! Am edlen Inhalt kann dieser Preisanstieg nicht liegen, schließlich ist das dünnste Mittelchen (C1000! Das ist 1000 Schritten jeweils hundertfach verdünnt!) das teuerste. Auch die wahnsinnig teuren Entwicklungs- und Zulassungskosten, die bei echten Medikamenten anfallen, erspart man sich bei der Herstellung von Globuli nach 200 Jahre altem Hokuspokus. Gut, es kommen noch Kosten fürs Schütteln (so macht man "Nichts" zu einem homöopathischen Mittel) und fürs hübsche Verpacken hinzu. Dennoch, ein beachtlicher Gewinn, der da unterm Strich bleibt! Wie im Drogenhandel, nur daß der Endverbraucher da für sein Geld zumindest etwas bekommt, das tatsächlich wirkt.
Es war diese Geldmacherei, verbunden mit dem Veräppeln der Verbraucher, die mich lange, über Jahre hinweg, so erbost über die Homöopathie machte. Aber dann sah ich bei der Lektüre der taz diese Flasche Bonaqa, und alles relativierte sich wieder!
Bonaqa ist ein Tafelwasser. Und Tafelwasser, das heißt nichts anderes als Leitungswasser, das man noch ein bißchen nachbearbeiten kann, wenn man will. Und so eine Flasche Bonaqa kostet in der Kantine 0,80 €, am Bahnhofskiosk vieleicht 1,20 €, lassen wir es mal im Schnitt 1,00 € sein, für einen halben Liter. Trinkwasser kostet bei den Wasserwerken als Privatkunde etwa 1,60 € für einen Kubikmeter, also für 1000 Liter. Das entspricht einem Wertzuwachs um das 1250-fache, nur durch das Abfüllen von Leitungswasser! Gut, das Wasser darf noch mal durch einen Filter laufen, und man mischt noch etwas Kochsalz dazu und bläst eventuell noch was Kohlensäure rein. Aber dafür bekommt man ja als Großabnehmer auch bestimmt einen besseren Preis pro Kubikmeter. Und dank Werbung und schöner Flasche kaufen sich die Menschen lieber für einen Euro eine Flasche mit dem Wasser, das sie am Hahn nebenan umsonst haben könnten. Und keine Aufklärer gehen dagegen vor wie in Falle der Homöopathie, dabei ist das Prinzip dasselbe. Beim Wasser wie bei der Homöopathie könnte jeder leicht rausfinden, was wirklich dahinter steckt. Es macht nur keiner. Und wenn man gegen seinen Willen darauf aufmerksam gemacht wird, reagiert man bloß mit einem "Ach, echt?". Aber damit ist diese Angelegenheit, sei's Wassser, seien's Globuli, wieder vergessen. Denn wenn's Unsinn wäre, würden's so viele Menschen kaufen und verkaufen? Ja, würde gar die Krankenkasse Kosten übernehmen?
Also, was soll der Ärger gerade über die Homöopathie? Menschen lassen sich offenbar nur zu bereitwillig in diversen Bereichen über den Tisch ziehen. Und sie zahlen gerne gutes Geld für ein warmes Gefühl. Und gedankt werden einem die Bemühungen, den mündigen Bürger vor sich selber zu schützen, sowieso nicht. Also sei's drum: Jeder bekommt am Ende das, was er verdient! Und sei's verzauberter Zucker für 2000 € das Kilo...

Donnerstag, 22. Juli 2010

Am Anfang steht die Gewalt

Am letzten Dienstag, dem 20. Juli, berichtete Arte Journal vom Festival d'Avignon, und die Moderatorin sprach auch mit dem Regisseur über das Theaterstück "Big Bang". Dabei kam sie zu dem tollen Schluß, daß der Big Bang ja auch eine Explosion, und damit eine Form von Gewalt war. Gut, der ein oder andere weniger poetisch veranlagte Mensch wird vieleicht Schwierigkeiten damit haben, sich die Entstehung von Raum und Zeit als einen Gewaltakt zu denken. Aber es geht ja noch weiter! Astronomen berichten, daß Erde und Mond gewaltsam geboren wurden. Klaus Kinski hält die menschliche Geburt für einen gewaltsamen Akt, und selbst die Moderne ist aus dem Geist der Gewalt geboren worden. Wo Gewalt nun wirklich am Anfang von allem steht, sollte man meinen, daß der Begriff Gewalt einen eher positiven Beiklang hat. Um so mehr überrascht es mich da, wenn man, von der Hitze etwas entnervt, in einen Supermarkt geht, und wenn einem zum dritten Mal jemand mit dem Einkaufswagen den Weg versperrt und keine Anstalten macht, einen durchzulassen, und wenn man da mit einem spontanen "Ach, Scheiße!" und einem beherzten Tritt den Einkaufswagen aus dem Weg in eine Ecke befördert, dieser recht begrenzte und verglichen mit dem Urknall doch eher kleine Gewaltakt bei den übrigen Anwesenden dann nur Befremden, gar Ablehnung, auslöst.
Also, versteh' mal einer die Welt!

Freitag, 16. Juli 2010

Ins All entweichender Verstand

Ok, ich kann's nicht lassen. Wahrscheinlich habe ich als Kind doch zu viele Was-ist-Was-Bücher zum Thema Astronomie gelesen. Aber heute ist wieder so ein herrlich dilettantischer Artikel zur Astronomie auf Spiegel online, frei von jedem Verständnis durch den Autor selber, daß ich einfach darüber schreiben muß.
Da wurde also ein extrasolarer Planet mit dem romantischen Namen HD 209458b beobachtet und Anzeichen dafür gefunden, daß "C II" und "Si III" vom Planeten in den Weltraum entweichen. Und das soll passieren, weil der Planet sehr nah an seinem Heimatstern und dadurch sehr stark aufgeheizt ist. Spiegel macht daraus die knackige Schlagzeile "Stern grillt seinen umkreisenden Planeten". Im weiteren will er will sich dann nicht zwischen "grillen" und "toasten" festlegen lassen. Aber Entscheidungsfreude war beim Spiegel in letzter Zeit ja sowieso knapp. Und dann geht es schon los:
"Bereits im Jahr 2003 hatten die Astronomen einen steten Masseverlust des heißen Himmelskörpers bemerkt. Doch wohin verschwindet die Masse? Seither hegten die Forscher die Vermutung, dass die Atmosphäre des Planeten ins All "flüchtet" - und dabei zu einem kometenartigen Schweif wird."

Tja, wie haben sie denn diesen mysteriösen Masseverlust bemerkt? Netterweise verlinkt der Artikel gleich die Originalquelle im Astrophysical Journal, und da findet man dann:
"Using the G140M grating of the Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS) on the Hubble Space Telescope (HST) with its resolution of ∼30 km s−1, Vidal-Madjar et al. (2003) found that the Lyman-α line flux was reduced by 15% ± 4% during transit at velocities between −130 and +100 km s−1. Based on this first detection of H I absorption at or above the planet’s Roche lobe, they concluded that hydrogen is escaping from the planet."

Ja, das ist ja auch ganz schön kompliziert, der arme Spiegel-Schreiberling! Also, um es kurz zu machen, dasselbe wie sie jetzt mit "C II" und "Si III" gemacht haben, haben sie im Prinzip schon 2003 für Wasserstoff gemacht. Und sie haben gesehen, daß offenbar Wasserstoff vom Planeten in den Weltraum abfließt. Das ist schon alles, kein mysteriöses Masseverschwinden. Und eine andere Art, einen Masseverlust eines Planeten zu "bemerken", als die Beobachtungen, über die hier die ganze Zeit schon gesprochen wird, gibt es in diesem Fall wohl sowieso nicht. Also mal weiter.
"Bei ihren Untersuchungen stellten die Wissenschaftler fest, dass in der Atmosphäre von HD 209458b die schweren Elemente Karbon und Silizium vorkommen."

Au ja, sowas mag ich immer wieder besonders! Karbon! Was sie da beobachtetet haben, "C II", ist im englischen einmal ionisierter "carbon". Und wenn man das dann im Wörterbuch nachschlägt, findet man für "carbon":
Kohle - nein, Kohle entweicht da bestimmt nicht.
Bronzekohle - auch nicht.
Kohlepapier - nee, wohl auch eher nicht.
Karbon - ja, das klingt gut! "Karbon" klingt so modern, wissenschaftlich, nach High Tech! Also kommt da Karbon in der Atmosphäre des Planeten vor. Nur nicht noch mal bei Wikipedia vorbeischauen! Sonst würde man im Deutschen für "Karbon" bloß einen Abschnitt in der Erdgeschichte und kohlefaserverstärkten Kunststoff finden. Und das klingt ja dann wieder doof in einer Planetenatmosphäre. Hätte man doch einfach mal im Wörterbuch auf die Übersetzung "Kohlenstoff" tippen sollen. Oder man hätte seinen Chemieunterricht nicht völlig verpennen sollen, dann hätte man gewußt, daß das einzige chemische Element mit was kohligem im Namen "Kohlenstoff" heißt. Aber gut, wir sind ja nur kleine Wissenschaftsjournalisten...
Und als solche sind wir natürlich auch beeindruckt von den tollen Zahlen in der Wunderwelt der Astronomie. Und wenn der Planet noch eine Billion Jahre für seinen "Lebensabend" hat (kennen wir da vieleicht nicht so genau den Unterschied zwischen "billion", "Billion", und "Milliarde"?) ... da können wir ja auch noch was über Asteroiden, die in 48 Mio. km Abstand an der Erde vorbei fliegen, in den Artikel einbauen!
"In den letzten sechs Monaten sichtete die US-Raumfahrtbehörde Nasa beispielsweise 25.000 bisher unentdeckte Asteroiden. Immerhin 95 davon gelten als erdnah. Das klingt zunächst bedrohlich - in astronomischen Maßstäben bezieht sich dieser Ausdruck aber auf eine Entfernung von 48 Millionen Kilometern. "

Gut, das hat zwar jetzt nicht wirklich was miteinander zu tun - obwohl, der Exoplanet, die Asteroiden, das ist ja alles irgendwie oben im Weltraum? Na also, passt doch! Wunderwelt des Weltraumjournalismus!

Mein Name ist Guttenberg, Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann, äh...

Deutsch zu sein ist in dieser Zeit nicht so einfach. Da haben wir eine Kanzlerin, die beim Fußball gucken in die Hände klatscht wie eine Dreijährige vorm Schokoladeneis. Der Außenminister ist schwul. Der eine Präsident schmeißt beleidigt hin, wenn man ihn für seine harten, offenen Worte mal kritisiert. Der Neue sieht aus, als habe er vorher als Steward auf dem Traumschiff gearbeitet. Dabei steckt unser Land, ja die ganze Welt in der Krise (Wirtschaft, Banken, Klima, Meeresspiegel, Ölpest, Terror, Schweinegrippe, ICE, Fernsehprogramm,...), wir sind wieder in "kriegsähnlichen Zuständen", und Fußballweltmeister wird auch höchstens noch die Frauenmannschaft. Wo sind denn nur all die harten Männer, die es in solchen Zeiten braucht? Alle weg! Alle, bis auf einen:

Foto: dpa
Cool! Hart, entschlossen, aber vor allem: cool! Ich finde, sogar noch cooler als James Bond, wenn er in einem Krisengebiet aus dem Hubschrauber steigt:


Und jetzt habe ich auch keine Sorge mehr: Wir sterben an einem anderen Tag!

Montag, 12. Juli 2010

La la la, ich sehe nichts!

Manche Argumente sind so gut und einleuchtend, daß sie gar nicht falsch sein können, egal wie oft die Welt sie widerlegt. Nehmen wir zum Beispiel die Privatisierung von Staatsunternehmen. Es ist völlig klar, daß der Staat ein schlechter Wirtschafter ist, und daß alles besser wird, wenn man ein staatliches Unternehmen nur privatisiert. Da mag es schon sein, daß in den Zügen der Deutschen Bahn jetzt die Klimaanlagen ausfallen und manche Fahrgäste mit schlechter Kondition ins Krankenhaus gebracht werden wollen. Oder daß die schlampige Wartung bei der privatisierten Berliner S-Bahn zu mehr Zugausfällen führt als der Zweite Weltkrieg bei der öffentlich geführten Berliner S-Bahn. Oder daß Achsen brechen. Oder oder. Aber vermutlich ist der Punkt einfach der, daß niemand so genau gesagt hat, für wen alles besser wird nach der Privatisierung. Vieleicht wird es das nicht für die Leute, die den Zug benutzen wollen, aber doch immerhin für diejenigen, die an ihm verdienen wollen. Aber halt - den letzten Satz nehme ich lieber zurück. Denn wenn man andeutet, daß man es nicht für die primäre Aufgabe des öffentlichen Personenverkehrs hält, daß jemand damit Geld verdient, dann gerät man heute ja schon schnell in Kommunismusverdacht. Oder zumindest wird man dem kleinen ewig-gestrigen-Flügel der SPD zugerechnet. Nehmen wir lieber noch andere Beispiele.
So brauchen wir dringend die Wehrpflicht, denn nur die allgemeine Wehrpflicht stellt sicher, daß die Armee in der Gesellschaft eingebunden bleibt und keine Kriege geführt werden, die nicht die Unterstützung der Bevölkerung finden. Da ist es ja gleich sehr schön, daß sichergestellt war, daß die verheerenden Weltkriege mit Wehrpflichtigenarmeen sich der Unterstützung der Bevölkerung sicher wissen konnten! Gar nicht auszudenken, wie die Kriege sonst gewütet hätten. Und auch jetzt wieder führt Deutschland mit seiner Wehrpflichtigenarmee etwas, "das man umgangssprachlich als Krieg bezeichnen könnte". Und dabei bin ich mir gar nicht mal so sicher, wie groß das Verständnis und der Rückhalt in der Bevölkerung denn tatsächlich sind.
Und immer wieder gut für schlagende Argumente sind natürlich auch die Kirchen. So brauchen wir den christlichen Glauben unbedingt, denn nur er begründet letztlich Menschlichkeit und Moral. Gut, angefangen beim Mord an Hypatia über christliche Konquistadoren, die Indianer an ihre Hunde verfütterten bis zum "Gott mit uns" der Soldaten in den Weltkriegen gibt es ziemlich bedrückende Anzeichen für das Versagen von Moral und Menschlichkeit bei Gottes Schäfchen. Aber damit das christliche Moralmonopol widerlegt zu sehen, das ginge natürlich viel zu weit. Vermutlich muß man sich statt dessen einfach mal vorstellen, wie denn erst die Weltgeschichte ohne christliche Nächstenliebe abgelaufen wäre! Mag sein, daß es dann auch nicht mehr Völkermorde gegeben hätte. Aber dann hätte sich gar keiner die Mühe gemacht, die Opfer von mitmenscheninduziertem Ableben schnell noch zu taufen!
Am Ende glaubt der Mensch weniger was er sieht, als das, was er sehen möchte. Da fällt es einem richtig schwer, sich noch über die Homöopathie aufzuregen. Die wirkt zwar auch nicht, aber der Grundgedanke, gleiches mit gleichem zu heilen, und alles sanft zu verdünnen, der kann ja auch nicht unvernünftig sein, oder?
Ach, der Einfluß der Vernunft wird ja gemeinhin völlig überschätzt...

Donnerstag, 8. Juli 2010

Zombies in Magdeburg!

Entweder, Spiegel online ist von einer dramatischen Entscheidungsschwäche befallen worden, oder wir alle stehen vor wirlich ernsten Problemen. Glücklicherweise gibt es Anzeichen für ersteres.
Als der Spiegel vor sich vor drei Tagen nicht entscheiden konnte, ob die japanische Weltraummission Hayabusa zu einem Kometen oder einem Asteroiden flog, habe ich mir das noch mit der üblichen Ignoranz im Wissenschaftsjournalismus erklärt. Inzwischen hat er sich dann auf "Asteroid" festgelegt. Heute aber kann er sich nicht einmal mehr zwischen lebendig und tot entscheiden, wenn er in einem Artikel schreibt:
"Leblos lag ein Mann nach einem Schlaganfall auf dem Sitz eines Linienbusses in Magdeburg - und wurde einen ganzen Tag lang durch die Stadt gefahren."
und
"Demnach bemerkte offensichtlich niemand, was mit dem Fahrgast geschehen war - selbst die beiden Busfahrer nicht. Zu spät wurde der Kranke entdeckt und in eine Klinik gebracht - er verstarb dort."


Da muß es doch schlimm um den Zustand des Spiegel bestellt sein!
Allerdings sollten wir uns mit dieser Erklärung für die Meldung nicht zu früh in Sicherheit wiegen, und auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß das Berichtete so stimmt. Und wenn jetzt tatsächlich Tote einen ganzen Tag lang Bus fahren, bevor sie im Krankenhaus endgültig sterben, nunja, hier kann man sich ein Bild vom zu Erwartenden machen, und bekommt auch Verhaltenstipps.


PS.: Inzwischen hat der Spiegel seine Meldung im Text von "leblos" auf "bewußtlos" geändert. Die Überschrift bleibt aber beim alten. Ein hilfloser Versuch, eine unbequeme Wahrheit, die nicht in unser Weltbild passt, zu unterdrücken?

Dienstag, 6. Juli 2010

Wunder sind kein Wunder

Manchmal früh morgens, beim Aufwachen, noch im Halbschlaf, da findet man Antworten auf Fragen, die man sich im wirklich wachen Zustand nicht einmal stellen würde. So geschah es auch heute früh, und zwar mit dem Problem des Wunderglaubens. Da gibt es Atheisten und Skeptiker, die sich wieder und immer wieder über den Wunderglauben empören oder lustig machen. Jesus wurde jungfräulich empfangen und lief übers Wasser? Madonnenstatuen weinen und tote Päpste heilen betende Nonnen? Alles Unsinn und Aberglaube, denken sich die aufgeklärten, rationalen Geister, denn es widerspricht den Naturgesetzen! Und dabei bemerken sie gar nicht, daß Naturgesetze und Wunder sich keinesfalls gegenseitig ausschließen! Und das kann man auch ganz leicht einsehen, nämlich so:
Was Naturgesetze im Grunde bieten, das sind Wahrscheinlichkeitsaussagen. Die Quantenmechanik mag das ganz offensichtlich tun, doch auch andere, streng deterministische Theorien kann man auf Wahrscheinlichkeiten zurückführen. So ist eben in der klassischen Mechanik, sagen wir mal zum Beispiel die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für einen Planeten zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem einzigen Ort gleich Eins, und überall sonst Null. Und wenn unter Wunder ein Ereignis verstanden werden soll, das den Naturgesetzen widerspricht (Das ist natürlich etwas zu naiv gedacht, aber es genügt hier schon), dann ist ein Wunder nichts anderes als ein eingetroffenes Ereignis, für das die Naturgesetze die Wahrscheinlichkeit Null angeben.
Jetzt müssen wir uns nur noch fragen, was unter einer Wahrscheinlichkeit eigentlich verstanden werden muß. Da haben wir einmal die subjektivistische Sichtweise, die meint, eine Wahrscheinlichkeit sei nichts anderes als ein Maß für unseren Glauben an das Eintreffen eines Ereignisses. Ich kann mir nicht denken, daß diese Sicht sich in naturwissenschaftlichen Kreisen ernsthaft großer Beliebtheit erfreut. Denn dann würden naturwissenschaftliche Theorien ja im Grunde nichts über die Welt, sondern nur über unseren Glauben aussagen. Und was sollte die Welt davon abhalten, etwas zu tun, an das wir nicht glauben? Eben, nichts, und dann wären Wunder völlig unproblematisch. Bleibt uns also nur ein objetivistischer Ansatz zur Interpretation der Wahrscheinlichkeit. Und das ist dann der frequentistische Ansatz, der von der relativen Häufigkeit ausgeht. Wenn man n Experimente unternimmt, und dabei a mal das Ergebnis A herauskommt, dann ist die relative Häufigkeit von A gerade a/n. Und die Wahrscheinlichkeit von A ist dann der Grenzwert von a/n für n gegen unendlich.
Und jetzt sehen wir sofort, daß Wunder keineswegs im Widerspruch zu Naturgesetzen stehen. Denn ein Naturgesetz mag für das Ereignis A die Wahrscheinlichkeit Null angeben. Das heißt dann also, daß der Grenzwert von a/n für n gegen unendlich Null ist. Das verlangt aber natürlich nicht, daß a = 0 ist. Denn nicht nur der Grenzwert für 0/n ist Null, sondern z.B. auch der für 1/n, oder 2/n. Und das heißt nichts anderes, als daß Gott einzelne Wunder vollbringen kann, ohne die Aussagen der Naturgesetze zu verletzen! Er kann Jesus übers Wasser laufen lassen, oder eine Statue zum Weinen bringen - solange er endlich viele Wunder vollbringt, bleibt die Wahrscheinlichkeit für das jeweilige Ereignis bei Null, und die Naturgesetze bleiben intakt. Genau genommen kann er sogar unendlich viele Wunder vollbringen, wenn nur darauf achtet, daß die Zahl seiner Wunder langsamer gegen unendlich geht als n. Und so können Wunderglaube und Naturwissenschaft in friedlicher Eintracht nebeneinander existieren.
Und nachdem ich gleich am frühen Morgen Glaube und Wissenschaft auf derart bestechende Weise versöhnt habe, hätte ich mir ja eigentlich eine Wallfahrt nach Lourdes verdient...!

Montag, 5. Juli 2010

Staub zu Staub

Tja, bei dem, was da so alles im Weltraum herumfliegt, da kann man ja schon mal durcheinander kommen. Und so fragt etwa im Artikel Japanische Forscher öffnen Kapsel und finden - irgendwas der Spiegel, ganz im Sinne des astronomischen Qualitätsjournalismus:
"Handelt es sich dabei tatsächlich wie erhofft um Kometenstaub?"

Die Frage, worum es sich bei den gefundenen Partikeln handelt, will ich natürlich unbeantwortet lassen. Aber die Frage des Spiegel beantworte ich ihnen dann doch gerne: Nein. Denn die Sonde Hayabusa flog zu Itokawa, einem klassischen Asteroiden. Und von einem Asteroiden hat sie mit etwas Glück vieleicht Asteroidenstaub mitgebracht, aber bestimmt keinen Kometenstaub.
Da nich' für.