Mittwoch, 14. April 2010

Dreifaltigkeit und Einfältigkeit

Die katholische Kirche gibt sich gerne vernünftig und rational. Und es gibt ja auch gute Gründe, wenn sie im Katechismus schreibt:
"Auch wenn der Glaube über der Vernunft steht, so kann es dennoch niemals eine wahre Unstimmigkeit zwischen Glauben und Vernunft geben: denn derselbe Gott, der die Geheimnisse offenbart und den Glauben eingießt, hat in den menschlichen Geist das Licht der Vernunft gelegt;"
Und was, wenn es doch mal nicht so ganz glatt läuft zwischen Glaube und Vernunft? Klar, da der Glaube über der Vernunft steht, darf man nicht am Glauben zweifeln, sondern an dem, was man für Vernunft hielt. Und die kann man ja zur Not auch etwas weiter auffassen, wenn es mal sein muß. So kann es auch nicht unvernünftig sein, wenn man glaubt, daß ein allmächtiger Gott zu einem Menschen werden und sich an einen Holzbalken nageln lassen muß, damit wir alle nach dem Tode wieder auferstehen können.

Aber sind wir mal ein bißchen spezifischer. Eine der faszinierenden Lehren der katholischen Kirche ist die Dreifaltigkeit. Zugegeben, ich verstehe sie nicht. Allerdings kenne ich auch nicht viele, die behaupten, sie zu verstehen. Und die Religionslehrer, die den Eindruck erwecken, sie verstünden, drücken sich auf Nachfrage gerne mit dem Verweis, das sei halt alles ein bißchen kompliziert. Vieleicht kann man es auch gar nicht verstehen? Sehr gerne mag ich die Illustration der Dreifaltigkeit als scutum fidei. Das Bild hier ist z.B. aus einem Fenster in der Kathedrale von Barcelona:Hier sieht alles recht einfach aus: der Sohn ist Gott, der Vater ist Gott, der Heilige Geist ist Gott. Aber der Sohn ist nicht der Vater, und der Heilige Geist nicht der Sohn, und so fort. Klar. Aber was heißt denn dieses est in diesem Bild wirklich? Sicherlich nicht ein "ist" im Sinne einer Identität. Denn blickten wir mal auf die Eigenschaften dieser Relation est:
- Sie ist symmetrisch (symmetrisch: wenn a in Relation R zu b steht, dann steht auch b in Relation R zu a). Auch wenn das in diesem Bild nicht ausdrücklich betont ist, andere Illustrationen dieser Art schreiben das est zweimal in jeden Balken, um ganz klar zum manchen, daß etwa nicht nur der Sohn Gott est, sondern auch Gott der Sohn.
- Sie ist nicht transitiv (transitiv: wenn a in Relation R zu b steht, und b in Relation R zu c, dann steht auch a in Relation R zu c). Denn es ist ja ausdrücklich darauf hingewiesen, daß zwar der Sohn in Relation est zu Gott steht, und Gott in Relation est zum Vater, aber nicht der Sohn in Relation est zum Vater.
- Ob die Relation est auch reflexiv (reflexiv: jedes a steht in der Relation R zu sich selber) ist, ist nicht klar. Es mag zwar naheliegend sein, daß etwa der Sohn in der Relation est zu sich selbst steht, aber ganz sicher ist das nicht. Aber das ist hier auch nicht nötig zu wissen.
Was für eine Natur kann nun diese nicht transitive, symmetrische und wahrscheinlich reflexive Relation est in der Dreifaltigkeit haben?
Zwei ganz wesentliche und sehr allgemeine Typen von Relationen fallen mir ein. Erst einmal die Äquivalenzrelationen. Diese Relationen umfassen alles, was irgendwie "Ähnlichkeit" beinhaltet. Allerdings sind alle Äquivalenzrelationen reflexiv, symmetrisch und transitiv. Damit fallen die schon mal weg. Es geht bei est nicht um irgendeinen Ähnlichkeitsbegriff.
Die zweite wichtige Gruppe von Relationen ist die der Ordnungsrelationen. Sie beinhalten alle möglichen Arten von Vergleichen zwischen Objekten, etwa kleiner oder gleich sein, ein Teil von etwas sein, etc. Diese Relationen sind nicht symmetrisch, aber relexiv und wieder auch transitiv. Also ist est auch keine vergleichende Relation.
Mehr fällt mir nicht ein. Fehlt etwas? Oder ist es am Ende doch so, daß für die Dreifaltigkeit eine Beziehung erfunden wird, die mit dem Verstand nicht zu fassen ist? Sofort auffallen tut das nicht, wenn man die Verworrenheit einfach in ein harmlos aussehendes Wort wie est abschiebt. Denn mit dem scheinbar harmlosen Wort "sein" hadert man meist viel weniger, als man eigentlich müßte.

Nehmen wir noch mal ein zweites Beispiel: Ist Existenz ein Prädikat (im logischen Sinne)? Dazu ein Zitat aus dem sehr schönen Buch Analytische Ontologie von Rainer Trapp (Vittorio Klostermann, 1976):
"Uneingeschränkte Befürworter der These, daß 'existiert' ein Prädikat ist, gibt es in der neueren Philosophie kaum. Dies liegt weniger an Befürchtungen eines metaphysikskeptischen Zeitalters, der ontologische Gottesbeweis könnte sonst wieder zu unerwünschten Ehren gelangen, als an der durch die Entwicklung der modernen Logik geförderte Einsicht, daß Existenzsätze doch von wesentlich anderem logischen Status sind als normale Subjekt-Prädikat-Sätze. Wie wenig man das mögliche Gelingen eines Gottesbeweises als Kriterium dafür, ob 'existiert' ein Prädikat ist oder nicht, gelten läßt, zeigt die Tatsache, daß ausgerechnet die Vertreter eines militanten Atheismus, die dialektischen Materialisten, die heute einzige philosophische Richtung sind, welche die Frage entschieden bejahen."
Nun ist das Erscheinungsjahr des Buches, 1976, schon eine Weile her, und der dialektische Materialismus hat sich wohl weitgehend erledigt. Da stehen die Jesuiten mit ihren Gottesbeweisen aus der Sicht der modernen Logik und Wissenschaftstheorie ziemlich allein auf weiter Flur mit ihrem 'existieren' als Prädikat. Es sollte da niemanden mehr wundern, daß christliche Philosophen seit dem Ende des Mittelalters keine entscheidenden Beiträge zur Geistesgeschichte mehr geleistet haben.

Das alles sind rein theoretische Diskussionen, die mit dem Alltag nichts zu tun haben? Dann zum Schluß noch mal ein Beispiel für katholische Logik, ganz aktuell und viel mehr aus dem Leben gegriffen, als man sich das wünschen würde. Dargeboten wurde es in diesem Jahr vom Wiener Kardinal Schönborn. Natürlich geht es um sexuellen Mißbrauch und seine spezifisch katholischen Gründe: "Wenn der Zölibat Schuld hätte, dann dürfte es in den Familien keinen Missbrauch geben." Genau. Und wenn Alkoholeinfluß Schuld an Verkehrsunfällen hätte, dann dürften nüchterne Menschen keine Verkehrsunfälle haben.
Mann, was bin ich doch froh, daß es niemals wahre Unstimmigkeiten zwischen Glauben und Vernunft geben kann!

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