Samstag, 6. März 2010

Wer Schwachsinn von sich gibt, muß mehr haben als der, der keinen Schwachsinn von sich gibt

Bei manchen Dingen scheint es sehr leicht, sich ein Urteil zu bilden. Zum Beispiel bei der Bild-Zeitung: Ein ekelerregendes Schmierenblatt, das sich um Moral so wenig schert wie um Fakten oder Vernunft. Und wenn man das nicht schon beim schnellen Blick am Kiosk bemerkt, findet man alles ordentlich aufgelistet. Oder auch bei den Äußerungen des Außenministers zum geistigen Sozialismus und den Hartz IV-Beziehern. Das ausgerechnet der Vorsitzende einer Oberschichtspartei der Alleinerziehenden in Hellersdorf spätrömische Dekadenz vorwirft ist so absurd, so surreal, daß die ausführlichen Widerlegungen schon überflüssig erscheinen. Oder noch ein Beispiel, Dieter Bohlen. Ein Mensch, der sein Geld mit Äußerungen auf Klospruchniveau der mittleren Hauptschulklassen verdient. Die werden noch in Büchern verbreitet, verglichen mit denen selbst größere Literatur entsteht, wenn Charles Bukowski mit besoffenem Kopf in ein Telefonbuch kotzt.
Und so würde man sich schon in einem schönen Leben ohne Bild, Bohlen und Westerwelle einrichten, wenn man nicht doch kurz aufgeschreckt würde durch irritierende Kommentare. So lobt ein Schreiber in der FAZ doch die Bildzeitung, bzw. ihre "intelligente Agitation, Witz und Ironie". Oder der Fall Westerwelle: hier können nicht nur Abiturienten ihre Kenntnisse in römischer Geschichte endlich mal an den Mann bringen, sondern selbst die Tagesschau ist von der professionellen Taktik Westerwelles beeindruckt. Und hinter dem scheinbaren Proll Bohlen sieht der Focus den ebenso cleveren wie erfolgreichen Geschäftsmann.
Der Schreck beim Lesen läßt schnell wieder nach, denn immerhin werden nicht die Äußerungen selber gelobt, weder die in der Bild, noch die Westerwelles oder Bohlens. Das Lob findet gewissermaßen auf der Metaebene statt. Aber warum nur scheinen Schreiberlinge das Bedürfnis zu verspüren, Scheiße in einem größeren Zusammenhang als Wertstoff zu sehen? Erst mal scheint man natürlich intelligenter, wenn man nicht nur das Wort erfaßt, sondern auch seinen Kontext, seine Absicht. Und da wird sich schon ein Erfolgsaspekt finden lassen. Dabei darf man sich natürlich nicht von moralischen Erwägungen beeinflussen lassen. Denn wenn man nur fragt, ob eine Äußerung erfolgreich war, kann man sie leichter loben, als wenn man noch weiter fragen müsste ob der Erfolg denn überhaupt wünschenswert ist. Man lebt da besser, wenn man nicht versucht, zu viel Intelligenz zu zeigen. Und noch weitere Verlockungen warten. So hat man mit einem solchen Blickwinkel auch gleich eine gute Rechtfertigung, um die Bild zu lesen, oder Bohlens Show anzusehen. Wenn man so klug ist, den Hintergrund zu sehen, kann man selber schließlich nicht einer dieser anderen doofen Unterschichtler sein, die den Erfolg erst möglich machen. Und zuletzt ist es natürlich ein schönes Gefühl, sich mal einem erfolgreichen Zeitgenossen anzubiedern.
Also, am Ende bleibe ich doch bei meinem Leben ohne die Absonderungen der großen Agitatoren, Politprofis und Poptitanen. Aber ich wünsche mir, daß wenn mal nachts die Mülltonnen durch die Gärten mancher Schreiber getreten werden, auf ihre Fußmatten geschissen wird und Kondome in die Obstbäume gehangen werden, daß sie auch dann nicht nur Dreck und stumpfen Vandalismus sehen, sondern die auch den Zusammenhang zu subtiler Sozialkritik und erfolgreichem Aufmerksamkeitsgewinn.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen